Ich war der erste Prüfling, morgens um halb neun. Es war eine sehr wohlwollende freundliche Atmosphäre, anwesend waren der Amtsarzt, zwei Beisitzer und eine stille Zuhörerin.
Am Anfang kam die übliche Frage bezüglich meiner Motivation, Ausbildung, zukünftigen Praxisplänen. Das hatte ich gut vorbereitet und erntete wohlwollendes Nicken.
Dann wurde mir der Fall vorgelegt:
Eine junge Frau mit vielfältigen Ängsten, teilweise mit Panik-Symptomatik. Sie sei schon beim Psychiater gewesen, der ihr aber keine Medikamente verordnet hätte.
In letzter Zeit sei es besonders schlimm geworden, Ängste um ihre Gesundheit, Ängste beim Autofahren, Ängste, wenn sie schlechte Nachrichten im Fernsehen hört u.v.m.
Sie könne oft nicht schlafen, sei viel am Grübeln, habe Magenschmerzen, Schweißausbrüche Herzrasen usw.
Okay, ich atme innerlich ein paarmal tief durch, während ich den Fall lese. Das ist machbar, denke ich und fange an…
Ich wiederhole zunächst alle ihre Symptome (mit den entsprechenden Fachbegriffen) und sage dann, wenn sie bei mir in der Praxis wäre, würde ich sie als erstes fragen, wie sie sich mit diesen heftigen Symptomen fühlt, ob es so schlimm sei, dass sie manchmal nicht mehr leben möchte, würde also die Suizidalität abklären.
Antwort: Nicht akut suizidal, aber manchmal hätte sie schon solche Gedanken.
Also latente Suizidalität… Es wurde sehr genau gefragt, was ich konkret machen würde, ich sagte, ihr die Möglichkeit geben, über ihre Probleme zu sprechen, ohne zu bagatellisieren oder zu bewerten, sie außerdem nach ihrem sozialen Netz zu fragen (zustimmendes Nicken) und einen Non-Suizid-Vertrag schließen. Was darin stehen würde, wurde ich gefragt, auch das wusste ich zum Glück.
Dann die Frage, was ich machen würde, wenn sie meine Patientin wäre und ich in Urlaub gehen würde.
Hmmm, eine etwas überraschende Frage, ich denke kurz nach und sage dann, ich würde ihr meine Handy-Nummer geben aber auch dafür sorgen, dass sie sich im Notfall an andere Stellen wenden könnte.
An wen könnte sie sich denn wenden, wurde gefragt? Antwort: Krisenseelsorgetelefon der Kirchen(rund um die Uhr besetzt), sozialpsychiatrischer Dienst, psychiatrische Notfallambulanz (letzteres fiel mir nicht auf Anhieb ein, aber sie halfen mir auf die Sprünge.)
Danach wieder die Frage nach meiner Diagnose. Ich sagte, einiges würde auf die generalisierte Angststörung hinweisen, ich müsste aber vorher noch fragen, ob wegen der aktuellen Verschlimmerung organisch alles abgeklärt sei, ob ein belastendes Ereignis vorausgegangen war, und müsste auch den psychopathologischen Befund abfragen, vor allem hinsichtlich Depression wegender Grübelneigung und der Schlafstörung.
Was ich denn zur Abklärung einer Depression abfragen würde, lautete die nächste Frage. Das konnte ich gut aufzählen. Wohlwollendes Nicken.
Also meine Diagnose?
Generalisierte Angststörung mit gelegentlichen Panikattacken und in Komorbidität mit einer aktuellen depressiven Episode.
Das war wohl richtig.
Dann kam die Frage, was ich therapeutisch machen würde, aber bitte nicht „einfach weiterschicken“.
Ich nannte Kognitive VT, sagte aber, dass ich hierin nicht speziell ausgebildet sei. Trotzdem kamen Fragen zur VT, ich sagte, dass man mögliche dysfunktionale Gedanken bezüglich ihrer Ängste herausfinden und dann umstrukturieren müsste.
Wie man denn die dysfunktionalen Gedanken herausfinden könnte, wurde ich gefragt.
Hm, ich denke kurz nach und bitte innerlich um die richtigen Ideen. Durch Hinterfragen aller Überzeugungen, Gedanken und Emotionen zur jeweiligen Situation sage ich.
Und wie könne man dann die Gedanken umstrukturieren und die funktionaleren Gedanken verankern, werde ich gefragt.
Hm, gute Frage, was sage ich jetzt? Ich gehe dann in die „Wunderfrage“, sage dass ich eine positive Vision mit ihr entwickeln könnte, wie z.B. eine angstfreie Autofahrt denn aussehen und sich anfühlen würde, und diese Vision dann im Rahmen einer geführten Meditation in ihr verankern. Auch einen sicheren Ort oder Schutzengel ließ ich sie visualisieren und verankerte ihn.
Zustimmendes Nicken.
Dann fiel mir ein, dass ich eigentlich über Entspannungsverfahren mehr wusste als über VT und versuchte das Thema zu wechseln. Ich sagte, auch das PME oder das AT hätte sich bei Ängsten gut bewährt.
Sie gingen darauf ein, fragten wieder sehr konkrete Einzelheiten dazu ab, die ich aber dank meiner aktuellen Ausbildung zur Entspannungspädagogin gut beantworten konnte.
Zu guter Letzt dann noch ein paar Fragen zu Demenz, wieder sehr konkret, was ich machen würde, zur ersten Demenzabklärung. Ich beschrieb einiges aus dem MMSt, Uhrenzeigertest usw.
Dann sahen sie auf die Uhr, sahen sich gegenseitig an, der Vorsitzende fragte in die Runde, ob sie mich überhaupt rausschicken oder ob sie es mir sofort sagen sollten, sie nickten einander kurz zu, dann sagte mir der Amtsarzt, dass ich bestanden hatte.
Alle gratulierten mir sehr freundlich, und ich begann mich ganz zaghaft zu freuen: Geschafft!!!
Fazit: Die Prüfung verlief sehr fair, es wurden keine „Fallen“ gestellt, jedoch wollten die Prüfer nicht nur Theorie, sondern fragten sehr konkret zur persönlichen Vorgehensweise!
Das war etwas unerwartet für mich, aber ich nannte dann auch sehr authentisch meine Ideen. Das war wohl okay.
Danke an dieser Stelle an die gute Ausbildung bei Savina und vor allem an ihre tolle und engagierte Prüfungsvorbereitung.
Dieser Kurs in einer kleinen Gruppe war das optimale Prüfungstraining, ohne das hätte ich es vermutlich nicht so gut geschafft.
Danke!