☼ Sybille Disse
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Liebe Forumsmitglieder,
Heute möchte ich euch ein Fallbeispiel vorstellen:
Eine 16-jährige Patientin hat auf Drängen ihrer Mutter einen Termin bei euch vereinbart. Die Mutter ist sehr besorgt, weil sie ihre Tochter letzte Woche beim Erbrechen erwischt hat.
Außerdem erzählt die Mutter, dass die Tochter strenge Essensrituale durchführt und oft über mehrere Tage gar nichts esse.
Die Patientin ist eine durchschnittliche Schülerin, hat aber wenig Freunde und ein geringes Selbstwertgefühl.
Die Patientin ist etwas übergewichtig (76 kg bei 1,70 cm Körpergröße, BMI: 26,3) und ihr bemerkt Hautabschürfungen an den Fingerknöcheln.
Welche Symptome fallen auf?
Wonach würdet ihr noch fragen?
Was ist eure Vermutung/ Verdachtsdiagnose?
Es sind alle eingeladen, mitzumachen
Wir können ja erstmal etwas sammeln und überlegen dann gemeinsam die Therapiemöglichkeiten?
Sonnige Grüße schickt euch
Sybille
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Dann fange ich mal an:
Welche Symptome fallen auf?
Alter (Pubertät)
selbstinduziertes Erbrechen
Essensrituale
tagelange Null-Diät
geringes Selbstwertgefühl
leicht übergewichtig (BMI 26,3)
Hautabschürfungen an den Fingerknöcheln
Wonach würdet ihr noch fragen?
Bisher haben wir ja "nur" Informationen von der Mutter. Was sagt denn die Tochter zu ihrem Essverhalten?
Was ist eure Vermutung/ Verdachtsdiagnose?
Bulimia nervosa
LG, Kerstin
Trenne dich nicht von deinen Illusionen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben (Mark Twain).
Wonach würdet ihr noch nachfragen?
- Hat sie auch "Heißhungerattacken"?
- Könnte eine Schwangerschaft vorliegen?
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Wonach würdet ihr noch fragen?
Ich würde gern persönlich mit dem Mädchen sprechen.
Woher stammen z.B. die Hautabschürfungen an den Fingerknöcheln?
Besteht Laxantien-Gebrauch, nimmt sie andere Medikamente?
Wie gestaltet sie diese Essens-Rituale genau?
Wie steht es um ihr Bindungs-/Sexualverhalten?
Ich schließe mich der Verdachtsdiagnose Bulimia nervosa an,
setze aber noch Borderline-Persönlichkeitsstörung dazu da ich
meine, dass die beiden Störungen gern auch kombiniert auftreten.
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Ist das Mädchen in ärztlicher Behandlung?
Sind die Hautabschürfungen selbst herbei geführt?
Gibt es Hinweise auf Selbstverletzungen?
Ich würde mit dem Mädchen gerne eine vollständige Anamnese machen und dabei besonderes Augenmerk auf die Familie richten, das Mädchen soll sich gerne eine Begleitperson zur Unterstützung mitbringen.
Verdachtsdiagnose: Bulimie
Differentialdiagnostisch abgrenzen von anderen Erkrankungen, die sich ebenfalls auf das Essverhalten auswirken können, z.B. Zwangserkrankungen ("strenge Essensrituale").
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Darf ich auch mitmachen wenn ich kein HPA für Psychotherapie bin ?
Wenn nicht dann bitte einfach nicht beachten ! Ein Symptom wurde noch vergessen: die junge Frau zeigt keinerlei Krankheitseinsicht. Die Mutter drängte sie zur ersten Sitzung. "Leider" hat das Mädchen noch keinen so starken Leidensdruck um sich selber Hilfe zu suchen.
"Wenig Freunde" wichtig ist doch nicht die Quantität der Freundesanzahl sondern sehr viel mehr die Qualität der Freundschaft.
Die junge Frau wurde einmalig beim Erbrechen beobachtet- kann es hierfür eine organische Ursache geben (Schwangerschaft, Migräne ?). Es kann helfen die Zahninnenseite zu begutachten (Verätzungen)- darf ich dies als HP Psych. oder als HP überhaupt ?
Es liegt aufgrund der Vielzahl der Symptome sicherlich eine Essstörung vor .
Das Leben beginnt in einer Zelle,
und bei manchen Strolchen,
endets auch in einer solchen ! ! !
☼ Sybille Disse
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@Markus,
Alle dürfen mitmachen
Du hast recht, Veränderungen des Zahnschmelzes würden die Diagnose untermauern. Genau genommen fällt dieser Bereich unter das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG)
@alle: Das liest sich schon sehr gut und die Verdachtsdiagnose BULIMIA NERVOSA ist richtig ! Hat jemand von euch Lust die bisherigen Antworten zusammenzufassen?
Welche Symptome fallen auf?
Wonach würdet ihr noch fragen?
Was ist eure Vermutung/ Verdachtsdiagnose?
-Es liegt keine Schwangerschaft vor
-es gibt Heißhungerattacken, undzwar mehrmals die Woche
-die Tochter schämt sich und spricht nicht gerne mit euch
-die Tochter will nicht sagen, woher die Hautabschürfungen kommen
-es besteht kein Laxantien-Gebrauch, und sie nimmt keine weiteren Medikamente
-die Essens-Rituale: die Patientin isst sehr fettarme Lebensmittel und immer die gleichen in der gleichen Reihenfolge
-sie wiegt sich übrigens täglich!
-Bindungsverhalten ist normal/ Sexualverhalten - noch kein Freund
-keine ärztliche Behandlung
-keine Selbstverletzungen
- hab ich noch was vergessen?
Lasst uns mal noch ein wenig weitersammeln
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Es handelt sich um eine junge Frau in der Pupertät...dies untermauert nochmal die verdachtsdiagnose.
Danke das ich mitmachen darf.
Ich würde fragen ob es schulische, familiäre oder sonstige Pronleme gibt. Seit wann gibt es diese auffälligkeiten ? Bisheriger Gewichtsverlust ?
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- Sie kompensiert die Fressattaken durch lange Nahrungskarenz
- sie ist niedergeschlagen
Bei den Selbstverletzungen habe ich noch eine Frage:
Die Pat. hat doch Hautabschürfungen an den Fingergelenken, kann sie sich diese nicht wegen Frust selbsthinzugefügt haben ?
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Ich könnte mir vorstellen, dass das mit den Fingerknöcheln sowas wie Nägelkauen ist.
Kenn das aus meiner Schulzeit.
Auf den Knöcheln rumbeißen, bis sie wund sind.
Vielleicht könnte man sie das trotzdem nochmal vorsichtig direkt fragen, ob sie das selber war?
Und dann denk ich auch, wie Markus, dass auf jeden Fall Fragen zur Schule, Freunde und Familie wichtig sind.
Wie es ihr da so geht und ob es irgendwo und mit irgend jemanden Probleme gibt, aber auch Menschen mit denen sie gut klar kommt.
Liebe Grüße,
Martina
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Die Hautabschürfungen an den Fingerknöchelchen, insbes. wohl Zeige- und Mittelfinger, sind typisch für Bulimia nervosa. Die entstehen durch das selbstinduzierte Erbrechen, d. h. beim Finger in den Hals stecken um den Würgereflex auszulösen.
LG, Kerstin
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Hallo Kerstin !
Danke für diese Info ! ! ! Ich hätte niemals gedacht das es dadurch zu solchen Wunden kommen kann .... Ist ja wirklich furchtbar ! ! !
Ich habe hier aber noch eine Frage:
Ist es für einen HPP ratsam einen solchen Fall zu behandeln ? Ich könnte mir vorstellen das es u.a. zu Organischen Schäden kommen kann !
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Natürlich sollte hier auch die organische Untersuchung nicht außer acht gelassen werden.Durch ständiges Erbrechen kann es u.a. zu Störungen im Elektrolythaushalt kommen.Weiterhin auch zu Mangelerscheinungen die sich auf die Organe auswirken können.
Liebe Grüße
Petra
..................................
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☼ Sybille Disse
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"Ist es für einen HPP ratsam einen solchen Fall zu behandeln ? Ich könnte mir vorstellen das es u.a. zu Organischen Schäden kommen kann !"
Das ist eine spannende Frage, Markus
Ab wann würden wir denn lt. ICD 10 Bulimia nervosa diagnostizieren und was sagt euer Bauchgefühl oder Rechtsempfinden?
Dürfen wir "ran" oder eher nicht???
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Ich denke wir dürfen auf jeden Fall mit ran.
Gleichzeitig muss aber mittels Arzt geklärt werden, ob schon irgendwelche körperlichen Schäden entstanden sind, bzw. behandelt werden müssen.
Liebe Grüße,
Martina
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Ab wann gilt die Diagnose Bulimia nervosa?
1. Andauernde Beschäftigung mit dem Thema Essen und übermäßiger Drang, sehr viel in sehr kurzer Zeit zu essen (Essattacken).
2. Gleichzeitig verzweifelte Versuche, den nährenden und sättigenden Effekt von Nahrungsaufnahme wieder zu nichte zu machen (selbstinduziertes Erbrechen, Hungerperioden, Missbrauch von Appetitzüglern und Abführmitteln).
3. Auffällige und krankhafte Angst davor, dick zu sein oder zuzunehmen, wobei das vom Patienten angestrebte "Idealgewicht" deutlich unter der gesunden Grenze liegt.
Darf der HPP ran?
Ich kann mir vorstellen, dass Psychotherapie durch einen HPP zumindest EIN Baustein in der Behandlung eines bulimischen Patienten sein kann.
Vorzugsweise würde ich hier mit stabilisierenden und verhaltensverändernden Verfahren arbeiten.
Wie bei anderen Suchterkrankungen kann es jedoch angeraten sein, die Patientin stationär oder teilstationär zu behandeln, um den Teufelskreis aus essen und erbrechen stoppen zu können und sie aus ihrem bestehenden, die Krankheit ggf. fördernden System herauszuholen.
Parallel zur Psychotherapie sollte erfolgen:
- eine Ernährungsberatung
- ggf. eine medikamentöse Behandlung (bei stärkeren depressiven Symptomen)
- körperliche ärztliche Untersuchungen
Ich persönlich würde mir die Therapie von Suchterkrankungen (noch) nicht zutrauen. Was ich mir jedoch vorstellen kann, ist, einen oder mehrere Patienten nach stationärer Therapie weiter auf ihrem Weg zurück in einen "normalen" Alltag zu begleiten (z.B. Gruppentraining sozialer Kompetenzen, stabilisierende Gesprächstherapie mit gestalttherapeutischen Inhalten). Da würde ich dann aber gerne mit einer Klinik oder Beratungseinrichtung zusammenarbeiten.
Wie würdet Ihr "ran" gehen?
Liebe Grüße,
Tina
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*hochschieb*
Hab hier gerade nochmal reingelesen...
Wie ist es denn nun? Wenn in der Prüfung eine entsprechende Frage kommt, ob wir eine Patientin mit Bulimie behandeln würden?
Den BMI mit ins Spiel bringen (nicht unter 18,5 und nicht über max. 30)?
Man könnte auch noch auf die hohe Komorbidität von Bulimie und Angststörungen, bzw. Depressionen hinweisen, die sich im weiteren Verlauf manifestieren könnten. Und die man dann ja mitbehandeln muss.
Außerdem ist es doch oft auch eher schwierig, Patienten mit Essstörungen zu einer Therapie zu bewegen, oder? Das könnte dann ja auch eher für einen Klinikaufenthalt sprechen - oder ist gerade bei mangelnder compliance ein niedrigschwelliges Angebot sinnvoll?
Also, ich finde da für mich keine "richtige" Antwort
Liebe Grüße,
Tina
"Handeln ist heilender als Reden" (Jakob Levy Moreno)
Patin von KlausD
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