Ich bin eine von euch – habe hier meine HPP-Ausbildung gemacht, war im Forum aktiv und arbeite seit einigen Jahren in eigener Praxis. Heute schreibe ich hier jedoch anonym, da ich unter meinem vollem Namen mit Homepage etc. angemeldet bin und erstmal für mich selbst sortieren muss, wie es nun weitergeht. Ich hoffe, ihr habt dafür Verständnis.
Wenn man spürt, dass man es weder zeitlich noch körperlich und gesundheitlich schafft, weiter auf zwei bzw. drei Hochzeiten zu tanzen (Hauptjob , Familie, Praxis) ist es dann sinnvoll, eine Sache loszulassen? Ich bin so zwiespältig.
Ich habe diese Optionen zur Wahl:
- Den Hauptjob (ca. 7-8 Std. tgl.) aufgeben? Ich arbeite gern für meine Firma (seit 20 Jahren), der Job ist nicht anstrengend und relativ sicher. Bin dadurch sozialversichert etc. und das sichert letztlich auch das Dasein der Praxis.
- Die Praxis aufgeben? Diese kommt mittlerweile mit einem ganz kleinen Plus raus, nach Abzug von Fixkosten. Aber letztlich von mir als „Hobby“ gesehen. Dennoch frisst dieses „Hobby“ einen erheblichen Teil meiner Zeit. Die Patiententermine, die Vorbereitung, die Nachbereitung, das immer wieder hineindenken in Patienten und deren Probleme. Und das, obwohl ich bewusst nicht viele Patienten habe (weil ich es sonst überhaupt nicht schaffen könnte).
- Die Familie noch weiter vernachlässigen? Ich merke selbst, wie ich zu nichts mehr komme. Unser Garten, den ich früher immer liebevoll saisonmäßig hergerichtet habe, ist fast Wildwuchs (bisschen übertrieben jetzt). Der Haushalt … nun ja … mein Mann kümmert sich neben seiner Arbeit um vieles, was ja nicht verkehrt ist. Meine Kinder … die werden häufig vertröstet, weil Mama „gleich in die Praxis muss“.
- Meine Freizeit einschränken? Upps … ich hab ja schon seit Jahren keine mehr. Ich arbeite tgl. von 8.00 Uhr bis ca. 15.30 Uhr, bin kurz zuhause, hetze dann in die Praxis, komme abends nach Haus, mache dann Buchhaltung, Bürokram und alles, was für die Praxis anfällt. Die Tage, wo ich nicht in der Praxis bin, sind meist andere Dinge zu erledigen (Arztbesuche, Einkäufen und sonstige notwendige Dingen)
Ich merke, wie mir dieses Leben immer mehr zusetzt. Ich habe die Praxis mit viel Liebe eingerichtet, bin mit viel Euphorie gestartet. Aber immer mehr beschleicht mich der Gedanke, dass dieser Traum zum Alptraum wird.
Ich frage mich immer öfter:
Wo bleibe ICH in dem ganzen System? Mal ein Eis essen gehen mit einer Freundin? Kein Gedanke dran. Am Wochenende einfach mal nichts tun? Geht nicht … da wird gemacht, was die Woche über liegenbleibt. Ich liebe malen, bin sehr kreativ, habe früher immer viel und gern gemalt … eine leere Leinwand bei IKEA hat mich letztens fast zum Weinen gebracht, weil mir schlagartig klar wurde, dass ich dafür wohl nie wieder Zeit haben werde. Und da begann es an mir zu nagen. Irgendwas stimmt doch hier nicht.
Ich möchte von euch jetzt keinen Plan für ein besseres Zeitmanagement haben. Ich hab bereits jede Minute meines Tages verplant. Es geht auch nicht um finanzielle Dinge.
Es geht schlicht darum, an richtiger Stelle loslassen zu können – und das kann in meinen Augen nur die Praxis sein.
Aber da ist die Angst, es eines Tages zu bereuen.
Ist hier jemand, der diesen Schritt (der für mich soviel schwerer ist, als damals die Entscheidung für den Aufbau) gewagt hat und es nicht bereut hat?
Danke fürs Zuhören.
Beste Grüße von einer (anonymen) Kollegin.