Liebe Eva, du hast das in deinem persönlichen Beispiel aus deiner Gemeinde so deutlich gezeigt, was da so alles passieren kann und in dem Fall auch, wie ganz besonders wichtig die Worte dieses Menschen waren, für ihn selbst, für seine Angehörigen und auch für das weitere Umfeld, denn, genau wie du es beschreibst, kann auch da viel neues Überdenken angestoßen werden und sich manche Sicht auch ändern. Gleichzeitig finde ich es sehr mutig und auch anerkennenswert, dass die Angehörigen sich auch wirklich an dem Wunsch des Verstorbenen orientiert und seine Worte in der Traueranzeige gesetzt haben, eben auch hier einfach mal ein Ausbrechen aus Traditionen und Normen und zugleich ein Ansatz für ein erlösendes Freischwimmen von Schuld- und Schamgefühlen.
Vor einigen Jahren habe ich das selbst bei einem guten Freund erlebt, der sich in einem Affektsuizid unter einen Zug geworfen hat, ohne jeden Abschied, ohne ein Wort - auch er ein sehr angesehenes Mitglied und Schulleiter in einer ziemlich kleinen Dorfgemeinde. Das ist so schwierig, damit umzugehen, als Familie, als Freund, als Kollege, als Schüler ... so viele Fragen, die keine Antwort mehr finden ...
Und dann immer wieder auch hinter vorgehaltener Hand diese stillen Mutmaßungen und Vorwürfe und angesichts einer latent im Hintergrund bestehenden Depression immer wieder dieses Argument "Er hat sich ja nicht helfen lassen!" - wenn das denn immer so einfach wäre ...
Ich denke, jeder Mensch hat das Recht, individuell diese Entscheidung für sich zu treffen, wenn er für sich keinen anderen Ausweg sieht, wenn seelische und/oder körperliche Not so groß sind, dass sich kein anderer Weg für ihn auftut. Als Zurückgebliebene gilt es mit dieser Tatsache leben zu lernen und es zu akzeptieren. Gleichzeitig finde ich, auch sie haben grundsätzlich ein Recht darauf, zu verstehen, warum es zum Suizid kam, eben damit lebenslange Schuld- und Schamgefühle sich ausräumen lassen und vor allem diese alles überlagernde schwere Frage des "WARUM?" auch eine annehmbare Antwort erfährt.