Anfangs habe ich zu viel erwartet. Böse Falle.
Im Ernährungsbereich ändere ich gerne erst einmal eine Sache. Der Patient macht bis zum nächsten Termin eine Erfahrung und ich lasse ihn berichten. Darauf baue ich gerne auf. Ich überlege mir also einen Behandlungsplan. Setze ein Ziel und vertraue den kleinen Schritten.
Dadurch stelle ich nicht die Vergangenheit in Frage und lass ihn nicht als „doof“ stehen. Eine neue Gewohnheit kann sich schnell in den Alltag integrieren. Im Gespräch bringt der Patient gerne Impulse. Seine Impulse haben natürlich Vorrang vor meinen Ideen… sofern sinnvoll. Ich baue also auf Kreativität.
Kinder mache ich z.B. den Vorschlag, mittags etwas grünes und abends etwas rotes Gemüse / Obst zu probieren. Findest du zum Wochenende etwas gelbes und blaues? Deine Lieblingsfarbe ist pink? Okay, berichte mir zum nächsten Termin, finde pinkes Essen und probiere es mal. Kannst du es malen?
Erwachsene dürfen gerne anfangs 3 Tage gesund essen. Ich lasse das Wort „gesund“ im Raum stehen und erwähne: „Sie wissen ja, was man allgemein als gesund bezeichnet. Wenig Fertiggerichte. Wasser trinken. Am 4. Tag haben Sie frei von diesem Vorschlag und dürfen essen, was sie wollen. Ich frage auch nicht nach...“. Am 5. Tag wieder gesund essen. Hey, JEDER hält drei Tage durch, oder?“ Das fordert ihn heraus.
Am Folgetermin, z.B. in 4 Wochen, hat er Erfahrungen und Beobachtungen gemacht. Unterschiede bemerkt und es war ja nichts verboten!!!
Bewegung ist ein Thema für sich. Ich frage immer nach Hobbys und Steckenpferde. Mit etwas Glück kann ich darauf aufbauen. Gerne frage ich auch: „Was wollten Sie als Kind unbedingt machen? Wofür fehlten die Zeit, das Geld, die Gelegenheit?“
So kam eine Patientin mit 57 Jahren aufs Pferd...und reitet heute 10 Jahre später immer noch.
Welche Bewegung ist dem Patienten möglich? Manchmal ist das Gesamtbild so starr (und stur) und unflexibel...da beginne ich möglicherweise mit dem „Geist“. Der Patient kann z.B: mit Malen beginnen. Viele berichte, dass sie als Kind gerne malten. Er kann nicht malen iS das wird nichts? Okay, beginne mit Malen nach Zahlen oder kaufe ein Malbuch. Jeden 3. Tag 20 Minuten malen….Es ist eine Verabredung mit sich selbst und Sie wollen sich doch nicht selbst im Regen stehen lassen?
Jemand ist fit und liebt Tiere? Vielleicht mal Hund aus dem Tierheim „ausleihen“. Neue Ideen für den Garten umsetzen...Usw.
Abschließend möchte ich ein ein aktuelles Beispiel aus meiner Praxis geben: schwerkrankes Kind hat die Krise gemeistert. Alte Gewohnheiten und Schlendrian stellen sich wieder ein. Thema Nr.1 war über Monate die Krankheit. Muskulatur schwach, Alltag dreht sich noch immer um DAS Thema und Essen ist eher ein pragmatisches Thema. Die Nahrung ist stark ausbaufähig.
Das Kind (10 Jahre) hat die Hausaufgabe aufbekommen, 2x die Woche zur Teestunde einzuladen. Eltern, Großeltern, Geschwister, Klassenkameraden, Sportkollegen, Hund,…. Einladungen aussprechen, schreiben,… Tisch nett decken (Kreativität) und was nettes anbieten (Marmeladenbrot, Kekse, …). Die Gäste fragen: „Was hast du heute SCHÖNES erlebt?, Worüber hast du gelacht? Was hat dich zum Schmunzeln gebracht?“. Und selber entsprechend berichten.
Nun gibt es leider nach so einer schwerkranken Zeit weniger gute Tage und manchmal auch Rückfälle. Mir fällt also nichts schönes ein. Für diesen Fall gibt es Lieder, Gedichte, eine schöne Geschichte, die vorgelesen werden kann.
Bisher hat das Kind keine Teestunde gegeben. Ich bin dennoch sehr zuversichtlich. Denn die Familie hat das Gespräch zum Anlass genommen, wieder gemeinsam zu Abend zu essen.
Ich freue mich auch über kleine Schritte und beim nächsten Termin, wird mir das Mädchen auaf dem Silbertablett einen Impuls liefern. Ich darf dann nicht auf meinem Plan zu 100% bestehen und zeige mich auch flexibel.
Uui. Das war nun viel Text. Schönes Wochenende!