Bereits im letzten vorchristlichen Jahrtausend finden die Chakren in den unterschiedlichsten religiösen Schriften Indiens Erwähnung. Das "klassische" siebener Chakrensystem war jedoch zu dieser Zeit nicht das Einzige, welches in Verwendung gewesen war. Verschiedene spirituelle Schriften beschrieben die Energie-Zentren des Menschen teils abweichend voneinander. Wie kann dies sein? Wieso verwenden wir heute meistens ein System mit sieben Chakren und wieviele Chakren gibt es denn überhaupt?
Dafür ist es wichtig zu verstehen, woher die Vorstellung über die Chakren stammt.
Unsere primäre Erfahrung der Welt ist, daß wir einen Körper haben, mit welchem wir verschiedene Erfahrungen machen und irgendwo im Kopf sind meine Gedanken zu Hause und vielleicht ist irgendwo auch noch meine Seele in diesem Körper versteckt. Aus spiritueller Sicht ist genau das Gegenteil der Fall. Die meisten von uns werden das bekannte Sprichwort kennen: Ich bin nicht ein Mensch mit spirituellen Erfahrungen, sondern ein spirituelles Wesen mit der Erfahrung ein Mensch zu sein.
Aus spiritueller Sicht ist das Sein der letzte ungreifbare Urgrund alles Lebens. Dieses Sein ist lebendig, sozusagen be-seelt. Die Seele ist die Basis von allem Leben und erst hier können Gedanken geboren werden und innerhalb dieses Denkens kann sich erst Wahrnehmung ereignen. Und erst innerhalb dieser Wahrnehmung wird die Welt sichtbar. Mein Körper und meine Welt ist also nicht um mich herum zu finden sondern in mir drinnen. Mein Körper und seine Geschichte, mit einem Wort: mein Leben ereignet sich in meinem Bewußtsein. Mein Bewußt-sein ist allgegenwärtig. Was sich darin erignet ändert sich fortwährend.
Die Weltschöpfungsmythen der unterschiedlichsten Kulturen von Ost bis West zeigen auch meistens diesen Aufbau. Die Ur-seele ruht zuerst in sich selbst. Ein Zustand, der unserem Tiefschlaf ähnelt. Schließlich kommt ein erster Funken in Form eines Gedankens. "Am Anfang war das Wort.", heißt es in der Bibel. Im griechischen Original wird jedoch das Wort "Logos" verwendet. Dies kann "Wort" heißen, bedeutet jedoch auch "Gedanken". Jener erster Funken, mit dem alles ensteht ist ein Gedanke bzw. Wort. So beginnt jeder Traum in einem Augenblick und erlischt in einem unerwarteten Augenblick. Und so ist aus spiritueller Sicht auch unser Leben nichts weiter als ein sehr lebendiger, lange andauernder Traum. Wie der chinesische Meister Dschuang Dsi es so schön beschrieb: Als ich am morgen aufwachte, wusste ich nicht mehr, bin ich Dschuang Dsi der träumt er sei ein Schmetterling oder bin ich ein Schmetterling der träumt er sei Dschuang Dsi? Auch wenn man mit dieser Vorstellung vielleicht kämpft, wenn man mal wieder Schwierigkeiten hat seine Rechnungen zu bezahlen, kann man doch eins nie leugnen: Wir sind zuallererst Bewußtsein und alles andere kann erst in diesem Bewußtsein erscheinen. So liegt das Denken an der Wurzel alles Seins und hat eine schöpferische Wirkung. Du bist, was Du denkst.
So finden wir auch in den unterschiedlichen indischen Schriften teils abweichende Weltschöpfungsmythen. Eine der schönsten finden wir in der sog. Aitareya-Upanischad (Im Anhang findet ihr eine Kopie davon). Hier wird sehr schön beschrieben, wie die Ur-Seele die verschiedenen Formen von Wahrnehmung schafft. Wahrnehmung meint hier nicht nur unsere Sinne, sondern auch unsere Sprachfähigkeit, unser schöpferisches Denken, unsere Gefühle, ja sogar unseren Sexualtrieb und unsere Atmung. Eben alles, was sich im Bewußtsein meldet. Und weiters wird sehr schön beschreiben, wie der Schöpfer an alle Punkte sogenannte Weltenhüter setzt. Denn jede Form von Wahrnehmung ist eine Art der Wahrnehmung der Welt. Diese Weltenhüter, die hier als Götter beschrieben werden, sind im Prinzip unsere Chakren. Jene "Wasserhähne", die den Fluß der Eindrücke regulieren und harmonisieren. Am Ende der Erzählung öffnet schließlich der Schöpfer den Kopfspalt des Menschen und setzt sich sozusagen in die Mitte von all diesem wunderbaren Spiel - Die Seele.
Diese Erzählung ist eine von vielen Modellen, die versuchen dieses Gefüge zwischen Körper und Bewußtsein darzustellen und sie ähnelt auch nur Ansatzweise dem "klassischen" Sieben-Chakren System. So gab es immer schon die verschiedensten Erklärungsmodelle und Systeme und so haben seit je her Heiler in Indien, Tibet und anderen Teilen Asiens mit unterschiedlichen Systemen der Heilung und der Chakren gearbeitet. Im Laufe der Geschichte hat sich das Sieben-Chakra-System, mit welchem auch wir hauptsächlich arbeiten werden, als das am häufigsten verwendete in Indien und Tibet herauskristallisiert. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden das erste Mal Schriften über die Chakren in europäische Sprachen übersetzt. Seither wurden diese Systeme auch in Europa in verschiedenen Formen verwendet und weiterentwickelt - so entstand die heutige Bandbreite an Chakren-Systemen - vom "klassichen" Siebener System bis hin zu Systemen mit zehn oder mehr Chakren.
In unserem Webinar arbeiten wir hauptsächlich mit dem Sieben-Chakren-System, wir werden uns aber auch mit den verschiedenen anderen Systemen aus Ost und West auseinandersetzen und in unsere Arbeit mit einfließen lassen.
Ich wünsche Euch eine schöne Woche,
Attila