Lara de Bruin "333 Fragen für die lösungsorientierte Kommunikation bei Veränderungsprozessen"
Ein Fragenfächer für Therapeuten, Coaches und Manager - Hogrefe, 16,95 Euro
Meine Rezension:
Wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm. So heißt es in der Sesamstraße, schlaue Kinder, die das verinnerlicht haben, sind längst schlaue Erwachsene. Schlau, weil sie fragen. Sehr schlau, wenn sie darüber hinaus gelernt haben, die richtigen Fragen zu stellen, mit den richtigen Worten. Soviel vorweg: "Wieso, weshalb, warum" streichen angehende Coaches und Berater besser gleich aus ihrem Wortschatz, denn, das sollten sie gelernt haben, diese Worte drängen unser Gesprächsgegenüber in einen Rechtfertigungsmodus. Keine gute Basis für eine gelungene Kommunikation.
Was liefert dieser handliche, Handtaschen geeignete Fragenfächer der niederländischen Therapeutin Lara de Bruin? Wie der Titel es sagt: "333 Fragen für die lösungsorientierte Kommunikation bei Veränderungsprozessen". Der Fragenfächer ist für Therapeuten, Coaches und Manager geeignet. Die Idee, dass Manager dieses Tool benutzen, mehr noch: es idealerweise sogar verstehen, ist bezirzend. Vermutlich aber landet der Fächer vermehrt in den Händen angehender Psychologischer Berater, Mentaltrainer, Coaches, wünschenswerterweise auch in den Händen angehender oder zugelassener Heilpraktiker für Psychotherapie, zumal, wenn die vorher nicht den PB oder Mentaltrainer gemacht haben.
Wie in einer Amazon-Kritik bemängelt, fasst de Bruin mit diesem Fächer "nur" die bekannten Fragen und Formulierungen für die lösungsorientierte Kommunikation bei Veränderungsprozessen zusammen. Einen Abzug bei den Sternen gibt es von mir dennoch nicht, denn wer hat schon, gerade frisch ausgebildet, alle Fragen und Interventionen in jeder Situation abrufbar im Kopf?
Um den Fächer sinnvoll nutzen zu können, ist es unumgänglich, ihn vorher in Gänze durchzulesen. Wer in der Beratungssituation und bei der Gesprächsführung unsicher ist, sollte sich notieren, welche Tools sich wo in dem Fächer finden. Da de Bruin die Fragen klassifiziert hat, ist so eine schnelle Orientierung möglich.
Schlau - womit wir wieder beim Thema wären - ist es auch, sich die Fragen vorher genau durchzulesen, weil sicher nicht jede/r AnwenderIn des Fächers eine entsprechende Ausbildung durchlaufen und so alles schon einmal gehört hat. Die sogenannte Wunderfrage zum Beispiel, eines meiner Lieblingstools, kommt hier zwar zur Erwähnung, es ist aber doch angebracht, sich vorher intensiver mit dieser Intervention beschäftigt und sie geübt zu haben.
Wie umfassend das Angebot ist, das de Bruin mit dem Fragenfächer unterbreitet, zeigt die inhaltliche Unterteilung:
- der Gesprächsbeginn
- Kennenlernen I und II
- Kinder kennenlernen I und II
- Nach dem Problem fragen
- Ausnahmen vom Problem
- Die guten Dinge beibehalten
- Veränderungswünsche
- Ziele formulieren
- Vertrauen in das Ziel haben
- Film über die Zukunft drehen
- Die Wunderfrage
- Das Wunder genauer untersuchen
- Die Perspektive eines anderen Menschen
- Das Wunder in diesem Moment
- Skalierungsfragen über das Wunder
- Einen Schritt nach oben auf der Skala machen
- Fragen zu den Zahlen auf der Skala
- Wenn es besser geht
- Wenn die Dinge unverändert sind
- Wenn es schlechter geht
- Der Umgang mit schwierigen Situationen
- Erfolge analysieren
- Ein Gespräch abrunden
- Feedback auf das Gespräch
- Klienten, die von jemandem geschickt wurden I, II und III
- Mutlose Klienten
- Klienten, die sich bei einer anderen Person eine Veränderung wünschen
- Klienten in einer Krise I und II
- Klienten ohne Motivation
- Motivation stärken
- Klienten ohne Vertrauen
- Vertrauen stärken
- Klienten mit einem Konflikt I, II und III
- Klienten, die sich unschlüssig sind
- Klienten, die erneut kommen
- Verärgerte Klienten
- Ängstliche Klienten
- Niedergeschlagene Klienten I und II
- Klienten, die um einen nahestehenden Menschen trauern
- Ansprechen des Problems bei kleinen Kindern
- Arbeiten im Team
- Über ein Traumteam fantasieren
- Zusammenarbeit in Teams
- Teamflow
- Klienten, die einen Konflikt mit ihrer Führungskraft haben
- Klienten mit Leitungsfunktion I und II
Zu all diesen Punkten gibt es mehrere Fragen; im Durchschnitt sind es 6.
Fazit: Der Kauf des Fächers erspart selbstverständlich keine Ausbildung zum Psychologischen Berater oder Mentaltrainer. Wer eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich absolviert hat - wobei die Begriffe nicht gesetzlich geschützt sind und sich jeder so nennen darf - hat die Fragen bereits gehört (wer die Ausbildung bei Savina absolviert hat, garantiert - das kann ich definitiv bestätigen ). Mehr noch: Im Rahmen der Ausbildung sollte erklärt worden sein, aus welchem Grund genau diese Formulierungen verwendet werden. Wer aber, wie gesagt, gerade in die Praxis startet oder noch lernt, ist mit dem Fächer wunderbar ausgestattet. Wie auf der Rückseite zu lesen ist: "Die ausgewählten Fragen lenken die Aufmerksamkeit auf die Qualitäten des Klienten und ermöglichen, den Blick auf die erwünschte Zukunft zu richten."
*Denn schlimmer als zu sterben ist es, nicht zu wissen, wofür man lebt.* (Gioconda Belli)