Ich stelle den ausgestopften Geparden auf mein Pult und trete mit dem Becher Tee in der Hand an die Fensterfront. Der Hörsaal befindet sich im ersten Stock. Unten stehen Männer in der Arbeitskleidung einer Firma in einer Gruppe zusammen und diskutieren. Zu meinem Erstaunen befindet sich der Dozent, der eben noch am Lehrerpult sass, als ich von zwei Minuten den Hörsaal betrat, unten bei den Männern. "Was ist passiert?" fragt er mit dröhnender Stimme. Einer der Männer hebt seine linke Hand. Sie ist in einen dicken, weissen Verband gehüllt. "Er ist der Säge zu nahe gekommen! Er lernt es nie!" antwortet einer der Männer.
"Was gibt es da unten zu sehen?", fragt eine mir unbekannte männliche Stimme. Ich drehe mich zum Sprecher um und weiche erschrocken einen Schritt zurück. Mein Rücken berührt das Fenster. Vor mir sitzt auf dem nächstgelegenen Pult der Gepard, den ich aus der Sammlung geholt habe. Er ist höchst lebendig und leckt sich die linke Vorderpfote.
"Du brauchst vor mir keine Angst zu haben", sagt er mit ruhiger Stimme und schaut mir fest in die Augen. "Du hast mich zum Leben erweckt", fährt er fort. "Wie das?", frage ich und beobachte den Geparden genau. "Indem du mich aus der Sammlung geholt hast. Diese Sammlung hat schon seit Jahrzehnten niemand mehr betreten", antwortet er. Er leckt wieder seine linke Vorderpfote bevor er fortfährt: "Jedes Tier, das von einem Studierenden aus der Sammlung getragen wird, erwacht zum Leben." "Soll ich jetzt alle Tiere aus der Sammlung tragen?",frage ich. "Nein, zu riskant", erwidert der Gepard, springt vom Pult und tritt neben mich ans Fenster. Seine Augen werden schmal, als er die Männer sieht. Ein leises Knurren entweicht seiner Kehle. "Komm mit! Wir müssen gehen!" Es klingt wie ein Befehl. Ich folge dem Geparden. Er begibt sich ins Vorbereitungszimmer, welches an den Hörsaal angrenzt. Obwohl es Tag ist, ist nur ein schummriges Licht in diesem Zimmer. Der Gepard geht zielstrebig auf die dem Eingang gegenüberliegende Wand zu. Im Raum erstrahlt plötzlich ein blendend weisses Licht. Ich schirme automatisch mit der Hand meine Augen ab. Die Wand vor uns hat sich aufgelöst. Der Gepard schreitet auf das weisse Licht zu und verschwindet. Ich folge ihm, ohne zu zögern, obwohl ich keine Ahnung habe, was das Ganze zu bedeuten hat.
Liebe Grüsse
Pia