Lieber Attila
Der Yoga-Kurs hat mir sehr geholfen, loszulassen.
Ende letzter Woche kam der Impuls, in den Herbstferien (finden jetzt statt) auszumisten. Da ich das Gefühl habe, kein Ordnungsgenie zu sein, habe ich mir ein paar Video zum Thema Ausmisten auf YouTube angeschaut. Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich es auch ohne Ordnungscoach schaffe. Bei mir geht es einzig und allein ums Loslassen.
Ich habe Erdwissenschaften im Fachbereich Paläontologie studiert und nach Abschluss des Diplomstudiums ein Promotionsstudium angehängt, das ich jedoch abgebrochen habe, da mein Doktorvater pensioniert wurde und für ihn kein Nachfolger angestellt wurde. Ich habe es an anderen Universitäten versucht, doch ich hätte noch einmal ganz von vorne beginnen müssen ...
Ich habe das ganze Promotionsmaterial 11 Jahre aufgehoben und 3 Mal gezügelt, da ich mir unsicher war, ob die Arbeit doch noch irgendwie beenden würde, halt ohne Doktorvater, was in der Schweiz auch möglich ist. Ende letzter Woche wusste ich jedoch, dass ich die Promotionsarbeit nie mehr beenden würde. Ich wusste plötzlich, dass ich das Promotionsstudium abgebrochen hatte, weil es für mich plötzlich keinen Sinn mehr machte. Die Spiritualität hat sich sozusagen eingemischt.
Gestern und heute habe ich alle Ordner geleert, die Papiere gebündelt und zum Altpapier-Container getragen. Da ich kein Auto mehr habe, musste ich es zu Fuss hintragen. Zum Glück ist der Altpapier-Container nur etwa 500 m von meinem Haus entfernt. Ich bin heute 4 Mal hingelaufen. Morgen bringe ich noch den Rest weg.
Ich konnte ganz plötzlich mein Studium loslassen. Ich konnte es als Abenteuer sehen, wie ein spannender Urlaub oder eine Weltreise. Jetzt ist Zeit für etwas anderes. Plötzlich war es mir egal, dass ich mit dem Promotionsstudium auf keinen grünen Zweig gekommen war.
Beim Ausräumen der Ordner habe ich erst einmal gestaunt, wie viele Untersuchungen und Analysen ich durchgeführt habe. Doch es fehlte ein klares Ziel: Was wollte ich denn überhaupt herausfinden? Der Fokus auf ein bestimmtes Thema fehlte. Ich habe mich mit den vielen Untersuchungen und Analysen vollkommen verzettelt. Zudem hatte ich keinen Schimmer, was die ermittelten Daten aussagten, was sie bedeuteten. Was sollte ich damit anfangen? Mein Doktorvater (uni Fribourg) war mir leider auch überhaupt keine Hilfe. Er hat sich meine gewonnenen Daten gar nie wirklich angeschaut, sondern mich beauftragt, noch weiter Untersuchungen durchzuführen. Er war vollkommen überfordert.
Dasselbe Muster habe ich bei meinem Diplomstudium festgestellt. Für die Diplomarbeit wurde mir von meinem Diplomvater (Uni Bern) ein fossilreicher, stillgelegter Steinbruch zugeteilt. Meine Aufgabe war es, ein Inventar der darin vorkommenden Fossilien zu erstellen. Mein Diplomvater war Korallen-Spezialist. In der Schweiz gibt es jedoch kaum Gebiete mit fossilen Korallen. In meinem Steinbruch gab es jedenfalls keine Korallen. So habe ich mir die Spezialisten für die verschiedenen Fossilien-Gruppen (Seesterne, Schlangensterne, Seeigel, Seelilien, Schwämme, Ammoniten, Haifische ...) in der Schweiz und in Deutschland zusammengesucht. Ich habe viele Untersuchungen für die Bestimmung durchgeführt. Es war eine sehr spannende Arbeit.
Aber auch hier fehlte mir ein klares Ziel, ein Fokus. Ich habe mich mit allen im Steinbruch vorkommenden Fossilien-Gruppen befasst. Ich war so im Eifer, dass ich erst ganz am Schluss, als ich die Ergebnisse der einzelnen Fossilien-Gruppen zu einer Arbeit zusammenfügte, bemerkt habe, wie viel ich geschafft hatte. Meine Diplomarbeit umfasste am Schluss 1500 DIN-A4 Seiten. Mein Diplomvater konnte es kaum glauben, als ich ihm die Diplomarbeit vorlegte. Sein einziger Kommentar dazu war: "Eine Fossilien-Gruppe hätte auch gereicht."
Dasselbe Muster zieht sich weiter durch mein Leben. Ich wollte den Lehrerberuf loswerden, da ich mich für unfähig hielt. Ich hatte jedoch überhaupt keinen Plan, kein Ziel, keinen Fokus, was ich stattdessen tun wollte. Ich habe planlos alles Mögliche ausprobiert, jedoch ohne damit in irgendeiner Form erfolgreich zu sein. Ich habe mir nie die Frage gestellt, was ich denn mit der entsprechenden Ausbildung genau erreichen wollte? Ich habe es einfach gemacht, weil es mich interessiert hat.
Ich habe mich natürlich gefragt, wie ich aus diesem Muster herauskommen kann. Wenn ich mir solche Fragen stelle, kriege ich in der Regel auf ungewohnten Wegen eine Antwort. Auf YouTube bin ich auf die Chinesische Astrologie gestossen. Ich habe mir die Aufzeichnung von einem Webinar angeschaut. Ich hatte die Möglichkeit mir ein Chart zu erstellen. In der chinesischen Astrologie werden der Geburtsstunde, dem Geburtstag, dem Geburtsmonat und dem Geburtsjahr je ein Tier zugeordnet. Bei mir sind nur 3 Tiere vorhanden: 2 mal das Pferd, der Hahn und die Ziege.
Pferd: Dein Ziel ist zu abstrakt oder verschwommen. Du hast sehr ausgefallene Ideen, von denen du nicht weisst, was sich daraus entwickeln soll.
Ziege: Versagensangst: Du hast Angst, etwas/alles falsch zu machen. Wenn du etwas sagst, könnte das ja falsch verstanden werden.
Hahn: Du lässt dich von dem, was andere sagen beeinflussen. Du bist in deiner Meinung und in deinem Vorhaben sehr instabil.
Ich schätze, je mehr ich weiss, wer ich wirklich bin, desto leichter wird es mir fallen, klare Ziele zu setzen und den Fokus auf etwas zu richten ...
Liebe Grüsse
Pia