Zitat: … würde ich meinem Kind freiwillig Schmerzen zufügen, damit es etwas daraus "lernt"??? niemals, der Gedanke daran läßt mich schaudern, mir vorzustellen, ich würde meiner Tochter extra was antun, damit sie "wächst" und "reift".
Regina, es ist mir ein Bedürfnis hierzu etwas zu schreiben. So wie du es beschreibst, habe ich es absolut nicht gemeint. Kindern Schmerzen zuzufügen, damit sie daraus lernen ist in meinen Augen das Allerletzte und Gemeinste!
Was ich damit meinte, ist eine persönliche Erfahrung, die ich machen musste. Es gab über einige Jahre eine Zeit in der ich täglich damit rechnen musste, die Mitteilung zu bekommen, dass meine Tochter nicht mehr lebt. Sie hatte eine Borderline-Erkrankung und in dem Zusammenhang etliche schwere Selbstverletzungen und Suizidversuche.
Schon allein dadurch, dass sie einige 100km von uns entfernt wohnte, lebte ich in ständiger Angst, dass meine Hilfe einmal zu spät kommen könnte. Zumal sie keine Hilfe wollte. Sie wollte nur noch den Tod, weil sie ihr Leben nicht mehr ertragen konnte. Und obwohl sie etliche Male wegen akuter Selbstgefährdung eine Psychiatrie-Einweisung hatte, konnte man sie nie länger als 3 Tage dort behalten, weil sie einfach keine Hilfe wollte und sich „glaubhaft“ so darstellte, als wäre alles wieder „in Ordnung" .
Du wirst mir sicher glauben, dass ich diese Zeit weder meiner Tochter noch mir gewünscht habe. Für meinen Enkel schon gar nicht. Aber es gab sie nun mal.
Und glaub mir, ich habe damals durchaus mit dem Schicksal gehadert. Hab mich gefragt: „Warum unsere Tochter? Warum wir? Womit haben wir das verdient? Haben wir etwas falsch gemacht?“
Es war die bisher schlimmste Zeit meines Lebens und trotzdem sage ich heute, nachdem alles überstanden ist: „Ich habe daraus etwas für mein Leben gelernt, was ich sonst vielleicht nicht gelernt hätte“.
Ich urteile/verurteile heute nicht mehr so leicht wie früher. Früher hab ich oft gedacht: „Wie kann derjenige/diejenige bloß …“, „Es muss doch wohl möglich sein ...“. Heute frage ich mich: „WARUM tut ein Mensch etwas so und nicht anders“.
Die Frage: „Warum ICH?“ stellt sich mir nicht mehr, stattdessen: „Warum ich NICHT, wenn es andere auch trifft?“ Ich bin demütiger, verständnisvoller und dankbarer geworden.
Und ich habe gelernt, notfalls auch loslassen zu können und zu akzeptieren. Das war für mich das Schwerste was ich lernen musste.
Deshalb – so verrückt wie es sich auch anhören mag – grolle ich heute nicht mehr mit dem Schicksal oder wie immer man es nennen mag, sondern sehe auch in schlimmen Erfahrungen die Chance für etwas Gutes, das sich daraus entwickeln kann.