KEIN Kurs dieser Welt kann wirklich vermitteln und darauf vorbereiten, wie es ist, wenn plötzlich tatsächlich und "in Echt" dieser Tag gekommen ist, wo der erste Patient über die Türschwelle geht und im Therapiestuhl sitzt, den Therapeuten erwartungsvoll anschaut nach dem Motto "nun machen Sie mal".
Das ist ein sehr komisches Gefühl. Und es sind vermutlich wenige, die so selbstbewusst sind, dass es ihnen überhaupt nichts ausmacht und die gleich genau wissen, was zu tun ist.
Die Sicherheit kommt erst im Laufe der Zeit. Man kann versuchen, noch so viel Struktur in eine Sitzung zu bringen ... letzlich läuft eine Sitzung doch ganz anders, als vorher geplant. Eben, weil der Patient sich ja auch mit einbringt.
Das macht es wiederum einfacher:
Ich habe mir anfangs auch immer gedacht, ich müsse jede Minute planen, damit keine peinliche Pause entsteht oder ich plötzlich an einen Punkt komme, wo ich nicht weiter weiß.
Mittlerweile weiß ich, dass es diese Momente immer mal geben kann. Aber ich weiß auch, dass das nicht schlimm ist. Meist ergibt es sich so, dass der Patient eine Bemerkung macht, an die man wieder anknüpfen kann. Und wenn nicht, dann habe ich immer für derartige "Notfälle" irgendeine kleine Übung parat (z.B. "Ich würde mit Ihnen gern nun die verbleibende Zeit nutzen, um eine kleine Entspannungsübung durchzuführen" oder "Ich würde mit Ihnen nun gern die verbleibende Zeit nutzen, um die biographische Anamnese zu vervollständigen") oder etwas in der Art, was natürlich zur Gesamt-Thematik gerade passt.
Das Problem ist (und da nehme ich mich nicht von aus), dass viele von uns Kurs über Kurs belegen. Der Gedanke ist immer, "wenn ich DIESEN Kurs noch habe, DANN bin ich sicherer, dann trau ich mich." Und so verliert man sich in etlichen Kursen, hat vieles theoretisch, vielleicht auch praktisch, gelernt. Aber es ist niemals zu vergleichen mit dem Moment, wo der Patient vor einem sitzt.
Fazit:
Es bleibt eigentlich gar nichts anderes übrig, als einfach loszulegen, weil die Erfahrung dann von selbst kommt (positive und natürlich auch negative). Und mit jeder Erfahrung und jeder Therapiestunde kommt ein kleines Stück Sicherheit dazu.
Deswegen wünsche ich mir ja auch seit langem einen Kurs, der für diejenigen gedacht ist, die gerade ihre Praxis eröffnet haben und nun "echte" Fälle da sitzen haben und gern ein wenig Input von außen bekämen, wie mit einer Situation umzugehen ist (ähnlich einer Supervision).
Liebe Grüße
Kerstin