eine schwierige Frage, die ich gern mitdiskutiere:
Ausgangspunkt: Tiefe Beinvenenthrombose (Phlebothrombose) = vollständiger oder teilweise Verschluss tiefer Beinvenen durch ein Blutgerinnsel (Thrombus). Ursachen: Virchow-Trias.
Hauptgefahr: Lösen eines Thrombusteils, der dann als Embolus durch das venöse System wandert und zur Lungenembolie führt (dort eine Lungenarterie verlegt).
Vorab: Der Patient ist ja selbst zu Dir in die Praxis gekommen und hat sich damit bewegt. Das sollte m.E. berücksichtigt werden, wenn man später diskutiert, ob man den Patienten bei Verdacht Phlebothrombose jedenfalls in der Praxis noch vorsichtig bewegen kann, bspw. durch vorsichtiges Anheben eines Beins, während der Patient auf der Liege liegen bleibt .... Aber wieder wegschicken soll man den Patienten bei Thrombose-Verdacht natürlich nicht. Sondern es muss definitiv der Notarzt gerufen werden).
Der Patient kommt also und klagt bei der Anamnese v.a. über:
- Schmerzen und Schweregefühl der Extremität
- Druckgefühl mit Besserung bei Hochlagerung der betroffenen Extremität.
Bei der Inspektion sprechen dann für das Vorliegen einer Phlebothrombose:
- eine Schwellung mit Glanzhaut (einseitig -> unterschiedlicher Beinumfang, ggf, Messung), livide Verfärbung
Bei der (vorsichtigen) Palpation fühlt man: überwärmte Haut.
Schon, wenn diese Punkte vorliegen, dürfte bei der weiteren Durchführung von Funktionstests (Payr, Homans, Meyer) zur "Erhärtung" des Verdachts auf Phlebothrombose äußerste Vorsicht geboten sein - falls man nicht jetzt schon vorsichtshalber den Notarzt ruft (das würde ich in der Mündlichen auch so betonen, aber dann mit der Erläuterung der Funktionstests fortfahren). Jedenfalls liegt der Patient ja für die Funktionstests auf der Behandlungsliege - und dort bleibt er dann ggf. auch liegen, bis der Notarzt kommt, falls einer der Tests positiv ausfallen sollte.
Denn v.a. bei dem Wadenknetschmerz nach Mayr bzw. dem Fußsohlenschmerz nach Payr (Druck auf die mediale Fußsohle) können auch schon Embolien ausgelöst werden (darauf weist Isolde im Kreislaufskript hin, aber auch Kämper (Notfälle in der Heilpraktikerpraxis) sowie Herzog/Lang/Sengebusch (Trainingsfälle für die Heilpraktikerprüfung).
Isolde betont im Skript "Kreislauf" (S. 167) außerdem, dass durch diese Tests nur ungefähr die Hälfte aller Phlebothrombosen aufgedeckt werden können. Klarheit wird also ohnehin erst
Nun zu Deiner eigentlichen Frage: Als Basisversorgung für diesen absoluten Notfall (der Notarzt wurde ja von uns schon verständigt!!!) schlägt Dölcker (Leitfaden Heilpraktiker Prüfungswissen, S. 622) folgende Maßnahmen vor:
1. Rückenlagerung mit leicht erhöhter (30 Grad) Extremität und Ruhigstellung
2. Sauerstoffgabe
3. i.v. Zugang legen, mit Ringer-Lösung oder Natriumchlorid-Lösung (500 bis 1000 ml) i.v. offen halten - Warnung: bei Thrombosen an der oberen Extremität nicht auf der betroffenen Seite
4. keine Manipulation an der betroffenen Extremität
5. Patienten nicht aufstehen lassen.
(keine i.m.-Injektionen)
Punkt 4 spricht m.E. dagegen, dass man noch irgendetwas an dem Bein macht (außer, es auf 30 Grad anzuheben). Du hattest ja Watteverbände erwähnt. Da das Bein bereits warm ist, muss es ja jedenfalls auch nicht warmgehalten werden - anders als beim akuten arteriellen Verschluss...
Durch die vorsichtige Hochlagerung wird wohl der arterielle Einstrom in das gestaute Bein verringert und der venöse Abfluss verbessert (hoffentlich ohne Embolus!). Das führt zur Schmerzlinderung (Kämper, Notfälle in der Heilpraktikerpraxis, S. 199). Außerdem wird dadurch die Gefahr eines postthrombothischen Syndroms verringert.
Herzog/Lang/Sengebusch (Trainingsfälle für die Heilpraktikerprüfung, S. 21) empfehlen - neben der Benachrichtigung eines Notarztes - den Patienten so zu lagern, dass der Weg eines eventuell vorliegenden Embolus möglichst erschwert wird.
Es dürfte insofern darauf ankommen, auf welche Stelle sich der Embolusverdacht genau bezieht: Jedenfalls dann, wenn das Bein bzw. Becken (und nicht die Arme) betroffen ist, könnte - neben den 30Grad erhöhten Beinen - durch einen leicht erhöhten Oberkörper der Weg des Embolus zum Herzen und dann zur Lunge erschwert werden. Die zusätzliche Hochlagerung des Oberkörpers schlägt jedenfalls Kämper (Notfälle in der Heilpraktikerpraxis, S. 199) vor.
Herzliche Grüße und noch einen schönen Sonntag,
Winnie