Die sehr nette Beisitzerin (ich kann mich leider nicht mehr an ihren Namen erinnern) holt mich im Wartebereich ab. Sie sagt zwar während der Prüfung kaum etwas, hat aber irgendwie eine wohlwollende und beruhigende Ausstrahlung auf mich. Die Beisitzerin führt das Protokoll.
Kurze freundliche Begrüßung durch die Amtsärztin. Ich muss noch die Einverständniserklärung (Tonband) ausfüllen und habe nicht mal einen Stift dabei (war mir peinlich). Es ging gleich ohne Umschweife los. Ich frage, ob ich mir während der Prüfung Notizen machen dürfte (z.B. um den Überblick bei einer Anamnese zu behalten) - Antwort: "Nein, das sei absolut unüblich. Im Physikum dürften die Medizinstudenten das ja auch nicht." - (Na gut.)
Es liegen 3 Netterkarten auf dem Tisch.
Amtsärztin(AA): Beschreiben Sie!
Netter-Karte 117 (Herz von ventral): alle Abgänge benennen und erklären.
Netter-Karte 156 (Sagital-Schnitt durch das Abdomen mit Bauchwand und Baucheingeweieden):
alle Bauchorgane benennen. Wichtig auch die Pfortader. Woher kommt das Blut der Pfortader (unpaare Bauchorgane, O2-armes, nährstoffreiches Blut)
- Omentum Minus
- Omentum Majus
- Bursa-Omentalis
AA: Was sind die Aufgaben der Leber ?
Ich:
- First-Pass-Effekt
- Entgiftungsfunktion (z.B. Abbau von zelltoxischem Ammoniak in nierengängigen Harnstoff
- Synthese der Bluteiweiße: alle aufgezählt.
- Gerinnungsfaktoren: nur die Wichtigsten. Sie wollte keine Details.
- Umbau von Aminosäuren, Glukoneogenese, Glykogenese, Glykogenolyse
AA: Was kann passieren wenn die Leber erkrankt (z.B. Hepatitis, Alkohol-Leber)?
Ich: Leberzirrhose (AA: Was ist das ?)
Ich: Funktionsgewebe (Parenchym) geht unter und wird durch Bindegewebe ersetzt. Es kommt zum Pfortaderstau.
AA: Welche Organe sind vom Pfortaderstau betroffen: s.o., unpaare Bauchorgane, wie Mi, Le, Pa, Ma, Di, Dü
AA: Was sind die Symptome der Leberzirrhose?
Ich: Leber ist bei Palpation event. hart, höckrig (hmmm, das gehört ja eigentl. zur Untersuchung)...
AA: ... und sehr klein (zusammengeschrumpft, event. kaum tastbar...
Ich: ...Es kommt zu Umgehungskreisläufen: Erweiterung der Bauchvenen (Caput Medusae), Ösophagusvarizen mit der Gefahr der Ruptur (Notfall v. a. auch bei Alkoholikern, 112, Notfallschema schnell runtergerattert), Ödeme weg. Abnahme des kolloidosmotischen Drucks (AA: Welche Eiweiße fehlen hauptsächlich ? - Ich: Albumine) und Ikterus weg. Anstieg von Bilirubin.
Ich: (Habe nicht gleich Aszites gesagt. Noch bevor ich kurz nachdenken kann, hilft mir die Amtsärztin, indem sie auf ihren Bauch zeigt.)
Ich: ... Leberhautzeichen: Spider-Nävi, Teleangiektasien, Palmar- und Plantarerythem, Bauchglatze, Gynäkomastie etc...
AA: Wie ist der Druck im Lungenkreislauf
Ich: 20 mmHg
AA: Was verursacht eine pulmonale Hypertonie ?
Ich: restriktive Lungenerkrankungen, wie z.B. Lungenfibrosen oder Pneumonie
AA: Welche Auswirkung hat die pulmonale Hypertonie auf den Blutdruck im großen Kreisauf?
Ich: Es kommt zur Hypotonie.
AA: Was kann noch zur pulmonalen Hypertonie führen ?
Ich: Lungenembolie, mit meist plötzlich einsetzendem starken Brustschmerz, z.B. durch einen abgelösten Thrombus aus einer tiefen Beinvene bei Phlebothrombose. (Ich versuche noch auf den Notfall überzuleiten mit 112, BAP, Lagerung, venösem Zugang und Medikamente, das schien sie aber gar nicht weiter zu interessieren )
Dann Netterkarte Nr. 131 (Transversal-Schnitt durch das Herz)
Ich: erkläre alle beschrifteten Strukturen und erzähle auch ein bischen über die umliegenden Strukturen.
AA: Überleitung zu den Herzkranzgefäßen. Welche kennen Sie ?
Ich: A. coronaria dextra und sinistra. Zähle ungefragt schon mal ALLE Abgänge (Rami) auf, die es gibt (A. coronaria dextra: R. coni arteriosi, R. nodi sinuartrialis, R. atrialis, R.marginalis dexter, R. interventricularis posterior, R. posterolateralis dexter ebenso wie die der linken Koronararterie....
AA: (Unterbricht mich) Das reicht schon. R. coni arteriosi kenne ja nicht mal ich.
AA: Was passiert wenn es zum akuten Verschluss der rechten oder linken Herzkranzarterie kommt?
Ich: Herzinfarkt (versuche abermals auf den Notfall überzuleiten mit 112, BAP, Lagerung, venösem Zugang, ... )
AA: (Unterbricht mich.) Ja, natürlich ... und Sauerstoffgabe, das übliche halt...
AA: Wie kann man die Infarkte grundsätzlich unterscheiden.
Ich: Vorderwand- und Hinterwandinfarkt (Ich ahne schon die nächste Frage.)
AA: Welcher ist der Schlimmere ?
Ich: (MIST - Hab ich schon im Kurs nicht richtig verstanden, war mir irgendwie unlogisch, aber ich weiß, dass ich mir nur einfach hätte merken müssen, das einer der beiden in jedem Fall der Schlimmere ist, aufgrund von ... KEINE AHNUNG, mein Kopf ist leer. Ich erinnere mich, dass es verschieden Verläufe, v.a. der A. interventricularis posterior, und Versorgungstypen gibt, die ich auch aufzähle, versuche zu argumentieren, dass es abhängig vom Ort des Verschlusses, von der Größe des ischämischen Gebiets, der Höhe des Verschlusses, etc. ist, aber es hilft alles nix - sie will einfach nur wissen, welcher der Schlimmere ist, basta!)
Ich: Also, wenn das rechte Herzkranzgefäß betroffen ist, kann abhängig vom Ort des Verschlusses die Versorgung der Hinterwand des rechten Vorhofs unterbrochen sein. Hier liegt der Sinusknoten mit einer Taktfrequenz von 60-80 #/min. Wenn der ausfällt wird das Herz bradykard, weil der AV-Knoten übernimmt (40-60 #/min). Wenn die Schlagfrequenz unter 40 sinkt, wird's lebensbedrohlich. Ich lege mich also fest: Der Hinterwandinfarkt ist schlimmer. (Was jetzt folgt, ist eine komplizierte Begründung / Belehrung der AA. Ich habe wohl etwas durcheinander gebracht. Kann aber irgendwie nicht bis zum Ende folgen, mein Kopf ist ...) Vermutlich ist der Vorderwandinfarkt schlimmer, und kann sehr schnell zum Tod führen (Tachykardie -> Kammerflimmern -> Exitus ???). Am besten ihr schaut's selber nochmal nach (z.B. im Prometheus !?)....
AA: Was wissen Sie über Kokken ?
Ich: Es gibt Diplo, Strepto- und Staphylokokken.
AA: Wie unterscheidet man diese Gruppen (Sie wollte "Gramfärbung" hören)
Ich: (wollte die Schottmüller- und Lancefieldklassifizierung herunterbeten, sie unterbricht mich)...
AA: Ja, ja schon klar. Aber das will ich jetzt gar nicht hören. Was ist mit der Gramfärbung.
Ich: Erzähle etwas von grampositv (blau) und gramnegativ (rot), aufgrund der Eigenschaften der Mureinhülle der Zelle (habe dann aber die Gramfärbung im konkreten Fall durcheinandergebracht, obwohl ich eigentlich wusste, dass Streptokokken grampositiv sind. Sehr ärgerlich.)
AA: Welche Krankheiten werden durch Streptokokken verursacht?
Ich: Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A sind die Erreger von Scharlach und des Erysipels.
AA: Was machen die B.-hämolysierenden Streptokokken d. Gruppe A noch ?
Ich: Eitrige Tonsillitis
AA: Was noch ?
Ich: Na ja, z.B. bei Borkenflechte ... lassen sie mich kurz überlegen: Kleinblasige Form: Streptokokken, großblasige Form: Staphylokokken und dann gibt es ja noch die Alpha-hämolysierenden Streptokokken, wie z.B. Streptococcus viridans, ein Keim der Mundflora, der z.B. für die Endokarditis lenta....
AA: (Unterbricht mich.) Was ist das besondere bei Diplokokken ? Welche kennen Sie ?
Ich: Pneumokokken (Lungenentzündung) und Meninokokken
AA: (ergänzt):
- Streptococcus pneumoniae (grampositiv)
- Neisserien (gramnegativ):
- Neisseria meningitides (Ich ergänze "eitrige Meningits" und die Leitsymptome der Meningitis "Nachkensteifigkeit, starke Kopfschmerzen und Fieber", wollte sie aber -glaube ich- gar nicht hören)
- Neisseria gonorrhoe (Tripper)
Ich: Können event. Sepsis verursachen...
AA: Ja natürlich, das ist ja klar, aber was ist z.B. bei Patienten, denen vor kurzem die Milz entfernt wurde ?
Ich: (Kam nicht drauf, obwohl es mir nach der Auflösung wie Schuppen von den Augen viel.)
AA: Bei Milzentfernung herrscht erhöhte Infektanfälligkeit. Daher ist eine Impfung gegen Pneumokokken und Meningokokken C, aber auch Hib unbedingt zwingend wichtig.
Heilpraktiker Beisitzerin(HP): Welche Entzündungeszeichen kennen Sie ?
Ich: Calor, Dolor, Rubor, Tumor, Functio Laesa
HP: Was können Sie noch bei Entzündung feststellen ?
Ich: War kurzzeitig verwirrt: inspektorisch, palpatorisch ?
HP: Nein etwas anderes.
Ich: Blutwerte CRP, BSG erhöht event. auch andere Akute-Phase-Proteine wie Ferritin (z.B. auch bei Tumor) erhöht.
Was verstehen Sie unter Sorgfaltpflicht ?
Ich: Meinen Sie die Pflichten und Verbote des Heilpraktikers ?
HP: Ja, z.B. zählen Sie mal auf....
Ich: Habe einige aufgezählt, mich entschuldigt, weil ich an viele Punkte nicht rangekommen bin, obwohl ich eigentlich alle gelernt hatte.
AA: Ich glaube es reicht jetzt. Bitte gehen Sie kurz vor die Tür, wir bittem sie dann herein sobald wir fertig sind. Schauen sie sich ein bischen unsere schönen Blumen im Gang an.
Nach kurzer Zeit wurde ich wieder hereingebeten.
Beide strecken mir die Hand entgegen. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben bestanden.
Mehr war nicht.
Zusammenfassung und Ausblick:
Ich kann nur empfehlen, zusätzlich auch Mikrobiologie und kardiologisches Spezialwissen zu pauken, speziell Vorderwand- und Hinterwandinfarkt und alle Koronarien. Das ist zwar absolut kein Grundlagenwissen. Im Gegenteil, wir dürfen nach §44 IFSG gar keinen Erregernachweis führen und auch nicht mit erregerhaltigem Material hantieren. Mit der Gramfärbung wird der Heilpraktiker also schon von berufswegen sicher nicht konfrontiert!
Ebenso ist für uns Heilpraktiker, aufgrund der Sorgfaltspflicht, beim leisesten Anzeichen eines Herzinfarkts Schluss (112 - Lagerung - BAP -Venöser Zugang, O2-Gabe, event. Reanimation). Es hilft dem Patienten also im Notfall leider überhaupt nicht, wenn wir wissen, bei welchem Infarkt der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr schnell versterben wird!)
Es gibt aber Prüfer, für die solches Detailwissen zum Standard gehört (diese Fragen wurden nicht nur in meiner Prüfung gestellt, wie ich in der Nachbesprechung mit einer Prüfungskandidatin, die nach mir bei der gleichen Amtsärztin geprüft wurde, herausfand!)
Was ich während der Prüfung als sehr belastend empfand, war die Tatsache, dass ich nur sporadisch Rückmeldungen bekommen habe und auch nur selten nachgefragt wurde. Ich wusste meist nicht, ob meine Aufzählungen ausreichend waren. Oft folgte auf eine unvollständige Aufzählung oder eine Antwort, die nicht genau dem entsprach, was gewünscht war, eine Belehrung oder eine Vervollständigung von Seiten der AA. Auf Nachfrage hätte ich im einen oder anderen Fall vielleicht noch geliefert.
Ich glaube, ich konnte mich retten, weil ich einfach von mir aus immer soviel wie möglich geredet habe (über das, was ich sicher wusste), auch wenn ich dafür oft ausgebremst wurde. Wenn ich nur auf neue Fragen gewartet hätte, wäre es vermutlich nicht so gut ausgegangen, weil ich oft nicht wusste, worauf die AA konkret hinaus wollte (und sie in der Regel auch eine ganz konkrete Antwort hören wollte...)
Also, mein Tip: Grundlagenwissen und ein bischen Spezialwissen (ist gar nicht wirklich so viel, Marlene arbeitet die wesentlichen Punkte im Prüfungsvorbereitungskurs heraus) kombiniert lernen und in der Prüfung so viel reden wie möglich ....
Der Aufwand hat sich auf alle Fälle gelohnt. Bleibt am Ball und lernt regelmäßig in jeder freien Minute, irgendwann beginnt alles sich von alleine zusammenzufügen!
Viel Glück und Erfolg bei Eurer Prüfung!
Oliver R.