Wenn wir in die Welt blicken, scheinen wir oft nichts, als Leid zu sehen. Und auch unser eigenes Leben scheint oft weit von dem Entfernt, als was wir uns noch in jungen Jahren von unserem Leben erhofft hatten. In solchen Situationen fragen wir uns oft: Was will denn "Der, da oben" von uns? Von mir als Mensch und von uns als Menschheit? Warum läßt "Er" das zu? Es wäre ihm doch ein Leichtes, alles hier auf Erden zum Besseren zu wenden. Warum tut er das nicht?
Albert Einstein soll einmal gesagt haben: "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." Und wenn wir versuchen, die obige Frage zu beantworten, dann müssen wir auch erst einmal unseren Blickwinkel erweitern. Unser Kopf mag sich jetzt wehren, und sagen: "Da versuchen wir doch all das Leid nur schönzureden!", doch es ist genau dieses Festhalten an gewissen Überzeugungen, welches das Leid in uns und in anderen entstehen lässt und am Leben erhält. Es ist also primär eine Frage, ob wir uns öffnen können, um unser Leben und das Universum, in dem wir leben mit anderen Augen zu sehen.
Sehr oft spreche ich in meinen Vorträgen und Webinaren darüber, dass ich nicht bloß einer von sieben Milliarden Menschen auf der Erde bin, sondern, dass diese Welt auch in mir ist. Dass sie gewissermaßen mit meinem Aufwachen am Morgen entsteht und mit meinem Einschlafen abends wieder vergeht. Für den, an unserer, sich als rational bezeichnenden Kultur konditionierten, scheint dies zuerst einmal eine philosophische Spielerei. Doch es ist genau dieser Blickwinkel, der mir zeigt, daß die Welt nicht einfach eine Aneinanderreihung an Zufällen ist, wie uns die moderne Wissenschaft und die meisten Medien glauben machen möchten. Die Welt ist mein Spiegel. Jede Situation reagiert auf meine inneren Vorgänge. Jeder Vorgang in der Welt hat eine Korrespondenz zu dem Zustand meiner Seele.
Solch ein Denken mag auf's Erste fast paranoid erscheinen. Wer aber mit viel Feinfühligkeit in die Welt hinausblickt, wird erkennen, daß jedes Ereignis der Welt, mir im Prinzip immer gleichzeitig zwei Dinge zeigt: Es hat alles in gewissem Sinne mit mir zu tun, alles lehrt mich im etwas. Anderseits, hat eigentlich all dies nur peripher mit mir zu tun, denn das, was ich bin, ist jenseits von allen Ereignissen. Die erste Erkenntnis würden wir unserer Einzelseele, mit all ihren Geschichten und Erlebnissen zuordnen, die zweite Erkenntnis unserer Allseele, die als teilnahmsloser Beobachter das Kommen und Gehen der Welt sieht und geschehen lässt. Beide Erscheinungsformen unserer Seele und die damit einhergehende Sichtweise auf die Welt, haben ihre Berechtigung. Und nur wenn wir beiden Platz in uns einräumen, finden wir den tiefen Frieden, der aus der Mitte unseres Wesens strahlt.
In der Praxis heißt das, daß ich nicht von meinem eigenen oder vom Leid Anderer wegsehe, weil ich jetzt "erleuchtet" bin und erkannt habe, daß alles ja nur ein Kommen und Gehen im Universum ist. Gleichzeitig heißt es aber auch zu erkennen, dass ich immer nur im Hier und Jetzt helfen und Verbessern kann. Denn vom Ausblick der Ewigkeit passiert immer alles in höchster Vollkommenheit. Eine Vollkommenheit, die so vollkommen ist, dass sie auch die Unvollkommenheit beinhalten kann. So vermag ich als Mensch gleichzeitig im Hier und Jetzt zu leben und trotzdem mein Zuhause in der Vollkommenheit des ewigen Seins zu finden.
Ich lade hier zu einem kleinen Experiment ein: Man nehme sich ein wenig Zeit und am besten wäre es, sich ein Setting, wie für eine Meditation vorzubereiten. Wenn wir Ruhe finden, uns ein wenig auf unsere Atmung konzentriert haben, dann können wir einige Stationen unseres Lebens Revue passieren lassen. Wichtig ist, hierbei möglichst als neutraler Beobachter der Vorgänge zu bleiben und sich nicht von vergangenen Emotionen mitreißen zu lassen. Wenn wir uns vergangene Situationen ansehen, lohnt es sich die Frage zu stellen: "Warum habe ich Einmal richtig, ein anderes Mal falsch entschieden? Hätte ich es wirklich vorher absehen können, dass ich eine falsche Entscheidung treffe? Und falls ja, warum habe ich wider besseren Wissens gehandelt?" Ganz salopp formuliert: Warum bin ich einmal so und einmal anders drauf? Wir könnten jetzt argumentieren, dass dies die natürliche Fluktuation unseres Gemüts sei - was auch stimmt. Aber: Was lässt denn meine Gemütszustände fluktuieren? Wer oder was ist es in mir, das all diese Veränderungen macht, in welchen ich mich manchmal über mich selbst, manchmal über andere ärgere - und ein anderes Mal eben nicht?
Wer mutig genug ist zu erkennen, dass das, was wir vermeintlich als unseren freien Willen denken, gar nicht frei ist, aber der Oberfläche unseres Lebens eine viel tiefer liegende Freiheit zugrunde liegt, der hat den ersten Schritt zu seinem Erwachen getan. Und dies ist nicht ein einfacher Eskapismus, im Gegenteil: Erst die Entdeckung dieser tieferen Freiheit gibt uns die nötige Kraft alles Unnötige in unserem Leben loszulassen und das, was jedoch in der Mitte unseres Herzens wohnt, aufblühen zu lassen.
So können wir ganz klar sehen, dass jedes Ereignis unseres Lebens der Entdeckung dieser tieferen Freiheit dient. In Indien sagt man: "Das Leben ist nichts weiter, als eine Mediation über mich selbst." Und wenn wir unsere Tage genau ansehen, werden wir merken, wie wir tagein-tagaus ständig danach trachten uns zu verbessern. Sei es im Beruf, in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, in unserer Beziehung zum Leben. Doch der wesentliche Schritt passiert dann in mir, wenn ich von einem "Ich will" und "Ich muß" zu einem "Ich möchte" und "Ich kann" wechsle. Je mehr ich "mein Wollen" - meine vermeintliche "Freiheit" - loslasse, desto mehr kann mein einfaches, wahres, liebendes Ich in Erscheinung treten. Dieses Ich braucht keinen Schutz, denn es hat sich dem Segen der höheren Führung anvertraut. Es hat erkannt, daß alles immer für unser Bestes sorgt. Diese höhere Führung zerschlägt nach und nach im Laufe unseres Lebens, immer wieder unsere Sorgen und zeigt uns, daß all das, was wir im Leben verlieren können, wir vielleicht gar nicht gebraucht haben.
Es ist ein guter Reflex in jeder noch so schwierigen Situation erst einmal zu sehen: Was will mich das lehren? Wer sich diese Fragen stellt, arbeitet an seinem Karma und vermag es zum Besseren zu wenden. Bewusster zu werden heißt auch immer friedlicher zu werden.
Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende,
Attila