Elmar hat stets sehr viel zu tun, er war stellvertretender Leiter einer großen Elektrofirma. Durch eine Fusion mit einer ausländischen Firma war der Chef oftmals nicht anwesend und Elmar wollte und konnte ihn nicht hängen lassen. Er machte halt die Arbeit für sie beide. Natürlich war er hier oft überfordert und verlangte sich selbst zu viel ab.
Eines morgens wachte er auf und merkte, dass er sich übernommen hatte. Er hatte einfach keine Energiereserven mehr und knickte beim Frühstück regelrecht ein: durch die ständige Selbstüberforderung hatte er seine Leistungsgrenze deutlich überschritten.
Seine Frau bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Sie stellte ihren Mann zur Rede. „Ja weißt Du, mein Tag müsste eigentlich mehr als 24 Stunden haben bei den Aufgaben die ich habe. Ich weiß, dass ich mich übernommen habe, aber ich kann doch den Chef nicht hängen lassen. Früher habe ich das doch auch immer geschafft, aber jetzt würde ich am liebsten den Job an den Nagel hängen weil ich mir die Aufgaben nicht mehr zutraue.“
Elmars Frau kannte ihren Mann schon aus der Schule und wusste, dass diese ständige Selbstüberforderung Teil seines Charakters ist. Schon als Schüler litt Elmar unter Lampenfieber und Versagensängsten. Er war oft mutlos und zweifelte an sich selbst.
Sie konnte seine jetzige Situation sehr gut nachempfinden, denn früher war sie auch einmal so gewesen. Als die Kinder noch klein waren hatte sie sich zu viel zugemutet, weil sie allen gerecht werden wollte: ihrem Ehemann, den Kindern gegenüber. Aber auch der Haushalt, die Arbeit und die Freunde mussten ihrer Meinung nach perfekt ausgeführt werden. Dadurch hatte sie sich ständig überfordert.
Die Wende bei ihr kam durch Elmar. Eines Nachts träumte sie, dass er schwer krank sei und nicht mehr lange zu leben hätte. Durch diesen Alptraum war sie am nächsten Tag total Verunsichert und sie erkannte, dass sie sich ständig überforderte. Sie sah ein, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt und dass sie mit ihren Kräften genauso haushalten muss wie mit ihrem Geld. Und schaltete einen Gang herunter.
Es war anfangs schwer doch sie hörte nun mehr in sich hinein und lernte, ihre körperlichen Bedürfnissen wahrzunehmen. Es kam dazu, dass sie ihre Leistungsgrenze frühzeitiger erkannte und die Reißleine zog. Dadurch vermied sie Überforderung.
Von diesem Traum hatte sie Elmar noch nie erzählt, doch nun, da sie sah, dass er an der gleichen Grenze war wie sie damals erzählte sie ihm unter Tränen davon.
Elmar nahm sie in den Arm und sagte „Ich schaffe das. Ich bin der Situation gewachsen.“
Und seine Frau ergänzte „Ich schätze meine Kraft realistischer ein und gönne mir Pausen. Ich bin zuversichtlich, dass Du das auch schaffst.“
Elmar lächelte und sagte „Jeder bekommt nur so viel aufgebürdet wie er tragen kann.“
Kurze Zeit später hatte Elmar seinen verantwortungsvollen Posten aufgegeben und arbeitete nun als ganz „normaler“ Angestellter in der Firma. Wenn es mal hart auf hart kam dann half er seinem Nachfolger sehr gerne mal aus. Aber er machte nicht mehr den Fehler, dass er sich immer überforderte und führte somit den besten Job aus, den er jemals gemacht hatte: Gesundheits- und Selbstfürsorge.
©Sabine Wellmann
Patenkind von Werner Bergner