Da im ganzen Land bekannt war, was für ein lieber und freundlicher Geselle der gute Globin war, der Tag für Tag den wertvollen Sauerstoff zu jedermann, ja sogar zu den Gesetzesbrechern in ihre Zellen brachte, entsetzte es umsomehr, als eines Tages eine Gruppe entfernter Verwandter unseres getreuen Globins in das Land eindrang und es unter ihre Kontrolle bringen wollte. Es handelte sich um die von allen gefürchteten und unbarmherzig grausamen Fremdeiweiße. Sie wollten sich noch nie ins gesellschaftliche Leben einfügen, kannten keine Regeln, nur Zerstörung und Tod! Aber eine Gruppe unerschrockener Gesellen konnte sich diesen bösartigen Eindringlingen entgegenstellen: Die kernigen Burschen vom Stamm der Leukos, welche übrigens auch Ururururenkel des alten Hämozytoblast waren und stets tapfer ihre Heimat verteidigten.
Als erster zog einer der Granulobrüder in den Krieg. Es war der todesmutige, mit Lysosomen schwerbefaffnete, junge Neutro, der aber politisch gar nicht so neutral, sondern doch eher linksgerichtet war. Er marschierte geradewegs, jedoch grazil und amöbenhaft zu der Stelle, wo die Schurken das Land betreten hatten, blockierte ihnen den Weg, nahm sie fest in die Mangel und fraß sie auf! Darauf waren sie nicht gefasst! Sofort war das Gemetzel voll im Gange und sogleich auf seinem Höhepunkt. Neutros Onkel, Mono der Große, der sich eigentlich dazu entschlossen hatte, in Zukunft ein ruhiges Dasein zu fristen und als träge Gewebsmakrophage sesshaft zu werden, entschied sich zum Wohle seiner Gemeinschaft ins Kampfgebiet des lockeren Bindegewebes zu eilen und dort als Histio der Umtriebige furchtlos an der Seite seines Bruders zu kämpfen. Wie dieser fraß er seine Feinde einen nach dem anderen auf und fand sogar noch die Zeit, Plasma, der B-Lymphe ihre Skalps zu präsentieren. Diese wusste somit, wie die Bösewichter aussahen und konnte geeignete Fangarm-Markierungen bilden, um sie dingfest zu machen, damit keiner ihnen mehr entkommen und noch weiter ins Land eindringen konnte. Da Plasma dafür bekannnt war, dass sie ständig alles vergaß, erzählte sie ihrer Schwester Memory, wie die verschlagenen Gesichter genau aussahen. Memory vergaß nichts und würde auch nur einer der Schurken es wagen, noch einmal wiederzukehren, sie würde ihn sofort wiedererkennen und mithilfe der schnell hergestellten Fangarme erwischen und beseitigen lassen, noch bevor dieser etwas Schlimmes anrichten konnte. Helferlein, eine T-Lymphe aus Thymus trat in der Zwischenzeit ihrem Bruder Killer dem Abstecher kräfig in den Allerwertesten, dass dieser sich endlich aufmachte, auch ein paar Gegner zur Strecke zu bringen. Dieser war jedoch nicht bereit auch nur irgendjemanden einfach auzufressen. Das war ihm zu grausam, er war ja nicht einer der Granulobrüder! Die mochten daran Gefallen haben, nicht so er, der einen viel eleganteren Weg gefunden hatte, besonders die Schurken, die sich versteckt hielten, zu enttarnen und vor allen bloßzustellen. Dabei gab es zwei Möglichkeiten. Natürlich war er so gewitzt, dass er die Angreifer meistens auch ohne große Hilfe in ihren Verstecken aufspüren konnte, aber manchmal zerstörte er dabei aus Versehen auch Häuser, die nicht belagert wurden, was die Hausbesitzer verständlicherweise ein wenig grimmig stimmte. Aus diesem Grund war es sehr hilfreich, wenn die in den Unterkünften genommenen Geiseln ein ergattertes Kleidungsstück der Bösewichter aus dem Fenster hielten. So wusste Killer, dass er dieses Heim bedenkenlos fluten konnte, bis es aus allen Nähten platzte und die Wände einreißten. Waren die Verbrecher dann enttarnt, kamen sofort Neutro und Mono und fraßen sie auf. Zuwischenzeitlich war Plasma auch sehr fleißig. Anhand ihrer auf die Feinde geschleuderten Markierungen waren bald alle Angreifer enttarnt, so dass Eosin, der frisch verliebte und deshalb etwas verspätet dazugestoßene Bruder von Neutro, die Nachhut bildete und sich nach langandauernder Schlacht mit seinem Aufräumkommando die entlarvten und somit unschädlich gemachten Eindringlinge einverleiben konnte. Es war bereits die Morgenröte am Horizont zu sehen, als das ganze Land aufatmete, da der Schrecken endlich ein Ende fand und alle Bürger nach und nach ihren gewohnten Aufgaben nachgehen konnten.
Nur der ängstliche Baso, dritter und oft verspotteter Granulobruder, traute sich nicht auch nur einen der Gegner zu fressen. Und selbst die schon gefangen genommenen, ungefährlichen Widersacher lösten bei ihm nur aus, dass er anfing vor Panik Unmengen Histamin zu schwitzen und manchmal sogar Heparin in die Hose zu machen. Diesmal war das nicht so schlimm. Neutro und seine Krieger konnten auf den Unmengen Histamin prima rutschen und so noch schneller vorankommen. Aber T. der Unterdrücker beobachtete Baso weiterhin ganz genau, denn dieser bekam seine Schweißausbrüche auch desöfteren, wenn gar keine Gefahr bestand. Ständig hatte er schreckliche Angst vor harmlosen Pollen, Milch, Hunden und ganz besonders vor Katzen. Und das musste ja nun wirklich nicht sein, ständig alle in Aufruhr zu versetzen, obwohl gar keine echte Gefahr bestand! Hatten sie doch schon genug mitgemacht beim hoffentlich letzten Angriff der Frendeiweiße!
Ein Unheil an, das seine Herkunft schändet.
William Shakespeare
Patenkind von Andrea Rapp
Patin von Manuela und Tilly