ich hatte kürzlich meine erfolgreiche mündliche Prüfung in Freiburg und möchte Euch von Herzen gerne meine Erinnerungen schildern.
Die Namen habe ich leider vergessen - allerdings handelte es sich um eine HPP, einen psychologischen Psychotherapeuten und einen Amtsarzt.
Sie haben mich freundlich begrüßt, die Atmosphäre war wohlwollend (steht in jedem Protokoll, es stimmt aber wirklich! ) und wir saßen uns coronabedingt quasi in einem Kreis mit genügend Abstand gegenüber.
Die Masken wurden aufbehalten - das hat mir etwas mehr Sicherheit geschenkt.
Einstiegsfrage: Was unterscheidet eine psychotherapeutische Sitzung von einem Gespräch unter guten Freunden in einer Kneipe?
>> auf therapeutischen Rahmen eingehen, Klient:in - Therapeut:in - Beziehung, mögliche Gefahren/unerwünschte Ausgänge
Nachdem ich darauf eingegangen bin, kam die nächste Frage: wie würden Sie eine solche Sitzung beginnen?
>> offene Einstiegsfrage, SOS-P (Suizidalität, org. Ursache, Substanzen, psychotisches Erleben), psychopathlogischen Befund durchgegangen
Dann folgte: Mich hat neulich jemand gefragt, was denn der Unterschied zwischen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und einer bipolaren Störung wäre. Können Sie mir das erläutern?
>> jeweils auf Zeitkriterien & Symptome eingegangen, DD (sie wollten vor allem hören, dass man eventuelles psychotisches Erleben auch in F3 auf dem Schirm hat)
Gleich weiter: Wie würden Sie eine bipolare Störung behandeln?
>> ACHTUNG! Auf die Frage war ich vorbereitet und das war der Punkt, an dem ich gespürt habe, dass ich schon jetzt gute Chancen habe, zu bestehen. Sie wollen ganz klar Feststellen, dass ihr keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Hier gut zu antworten ist die halbe Miete.
>> ich bin auf VT eingegangen und habe sie oberflächlich erläutert. Hinweis auf Störung des Hirnstoffwechsels - unbedingt Hausarzt/behandelnden Psychiater mit ins Boot holen. Meine Psychotherapiemethode ist das Somatic Experiencing, NICHT VT. Also habe ich klargemacht, dass ich für die Intervention an eine:n fachkundige:n VT:ler:in abgebe. Ich kann begleiten mit Stabilisierung, der Stärkung von Ressourcen und Psychoedukation.
Also: wenn sich bei einer psychischen Störung eine gewisse Methodik bewährt hat, ist es großartig, wenn ihr sie (zumindest grob) erklären könnt. Wenn ihr nicht ausgerechnet in genau dieser Methodik eure Ausbildung macht, bitte deutlich von der Anwendung ebendieser abgrenzen.
Hätte ich in dem Fall gesagt, ich würde die verhaltenstherapeutischen Methodiken xyz anwenden, wäre ich sicherlich durchgefallen.
Fallbeispiel: (war super lang mit vielen Infos - ich hatte ein Block & einen Stift dabei, was mir sehr geholfen hat, da ich bei meiner Erläuterung meine Mitschriften vor mir hatte)
30-jähriger Mann aus Ghana, vor 3,5 Jahren über das Mittelmeer geflüchtet, hat Schwierigkeiten, seine Emotionen zu kontrollieren und Freunde zu finden. Auf der Arbeit reagiert er oft gereizt und hat Schlafstörungen. Oft wird er von unschönen Träumen geplagt und vermutet misstrauisch, dass sein Arzt ihm nur die halbe Dosis eines vereinbarten schlaffördernden Mittels gibt.
>> Zeitkriterium, Flucht = belastendes Ereignis & Konfrontation mit Verlust und Leid, ich begann mit SOS-P und war danach relativ schnell bei der DD zwischen PTBS, Anpassungsstörung und emotional-instabile PS vom impulsiven Typ. Ich habe mich aufgrund der belastenden Flucht und der Alpträume für die PTBS entschieden und habe Kopfnicken geerntet.
Daraufhin: Angenommen, sie hätten Ihre Ausbildung nun beendet (bin im ersten von 3 Jahren), wie würden Sie PTBS behandeln?
>>wieder: begleitend. Ich verwies auf eine traumtherapeutische Intervention im Rahmen einer VT, welche ich an eine:n VT'ler:in abgebe. Ich begleite mit Stabilisierung, Ressourcenstärung und Psychoedukation. Das fanden sie gut.
Letzte Frage: Sie neigen dazu, schnell zu sprechen (da haben sie Recht ), worin könnte da die Gefahr innerhalb einer Therapie liegen?
>> Aufbau Erwartungshaltung & Druck, Retraumatisierung (weil schnell), Verfehlen von Therapiezielen etc.
That's it. Ich habe mich im Vorhinein ziemlich verrückt gemacht, weil ich einen perfektionistischen Ich-muss-alles-wissen-Anspruch pflegte.
Wie ihr seht, geht es nicht darum, jeden Satz aus allen Skripten auswendig zu können, sondern viel mehr darum, dass ihr genau wisst, wo eure Grenzen liegen und wie ihr konkret handelt. Sie wollen sehen, dass ihr einzelne Logikwölkchen miteinander verbinden könnt und einen Blick auf das große Ganze habt, anstatt euch panisch in einer detaillierten Sackgasse zu verrennen.
Alles Liebe!