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Fernbehandlung - zulässig? - Druckversion

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Fernbehandlung - zulässig? - Horst - 05.03.2018

Hallo miteinander,

heute wurde mir die Frage gestellt, ob eine "Fernbehandlung oder Fernberatung" durch einen HP oder einen Gesundheitsberater zulässig sei.
Da ich denke, dass dieses Thema auch für andere interessant sein könnte, stelle ich es hiermit im Forum ein, damit wir uns hier darüber austauschen können.
Austauschen deswegen, da die Frage viele Facetten hat, die zu berücksichtigen sind und eine einfache Antwort mit "ja" oder "nein" sehr kurz gesprungen wäre.

Also stellen wir uns mal janz dumm und tasten uns schrittweise vor:

I. Was ist eine Fernbehandlung?
Nach einer medizinrechlichen Definition liegt eine Fernbehandlung liegt vor, wenn der Kranke oder für ihn ein Dritter dem Arzt, der die Krankheit erkennen und behandeln soll, Angaben  über die Krankheit, insbesondere Symptome oder Befunde übermittelt und dieser, ohne den Kranken gesehen und die Möglichkeit einer [körperlichen unmittelbaren] Untersuchung gehabt zu haben, entweder die Diagnose stellt und/oder eine individuelle ärztliche Beratung oder Behandlung vornimmt.

II. Näher beleuchtet wird die Zulässigkeit der Fernbehandlung in der Berufsordnung für Ärzte in § 7 Abs. 4 MBO-Ä (ähnlich der Berufsordnung für Heilpraktiker).
Hier heißt es:
„Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.“
 
Sinn und Zweck der Regelung in § 7 Abs. 4 MBO-Ä ist, dass sich der Arzt von dem jeweiligen Patienten ein unmittelbares Bild durch die eigene Wahrnehmung verschafft und sich nicht allein auf Schilderungen des Patienten oder Informationen Dritter verlassen soll.
Das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung und die damit korrespondierende grundsätzliche Pflicht des Arztes zur persönlichen Leistungserbringung verfolgen den Zweck, nicht durch eine fehlende persönliche Untersuchung die Behandlungsqualität einzubüßen und damit die Patientensicherheit zu gefährden. Eine zulässige Fernbehandlung hat genauso wie jede andere ärztliche „traditionelle“ Behandlung den Facharztstandard zu gewährleisten".

Zusammengefasst heißt dies, dass jegliche individuelle Beratung/Behandlung sich zunächst auf eine persönlich durch den Behandler durchgeführte Diagnose im direkten Kontakt mit dem Patienten stützen muss, wobei der Behandler "mit allen seinen 5 Sinnen in Kontakt mit dem Patienten" treten soll. Die daraufhin verantwortungsvoll gestellte Diagnose stellt dann die Grundlage für die Beratung/Therapie (im Einvernehmen mit dem Patienten) dar. Auch nachfolgende weitere Behandlungsmaßnehmen können sich auf diese Erst-Diagnose stützen, können dann also auch telefonisch oder über Video/Internet-Kontakte erfolgen.

III. Was sagt das Heilmittelwerbegesetz dazu?
Das Heilmittelwerbegesetz (§ 9 HWG) legt fest, dass eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht (Fernbehandlung), unzulässig ist.

Verboten wird mit dieser Vorschrift die Werbung für eine Fernbehandlung und nicht die Fernbehandlung als solche.

IV. Patientenrechtegesetz
Wenn also eine Fernbehandlung für Ärzte und HPs (auf der Basis einer persönlich gestellten Erst-Diagnose durch den Behandler selbst) zulässig ist, was sagt dann das Patientenrechtegesetz (§§ 630a - 630h BGB) dazu?

Die §§ 630c und 630e verpflichten den Behandler zu umfangreichen Aufklärungspflichten über .... "insbesondere die Diagnose".
Fehler hinsichtlich der Diagnose können für den Behandler teuer werden, denn § 630h bestimmt die Beweislast für Aufklärungs- und Behandlungsfehler wie folgt:
"„§ 630h BGB Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler.
Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wen es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.“

Konkret: Hätte eine persönliche Diagnose des Behandlers eine andere Beratung/Behandlung nahe gelegt und hat das Unterlassen der unmittelbaren Untersuchung zum Unterlassen einer erfolgversprechenden Behandlung geführt, liegt ein fahrlässiger Behandlungsfehler nahe mit möglicherweise unangenehmen zivil- oder strafrechtlichen Konsequenzen.

V. Fernbehandlungsverbot für Gesundheitsberater?
Obige Ausführungen treffen nicht auf Beraterberufe zu.


VI. Ausblick
18.12.2017 - In Baden-Württemberg hat die Ärztekammer das Fernbehandlungsverbot der MBO-Ä in besonderen Fällen schon aufgehoben. Nun will wohl die Bundesärztekammer nachziehen: Medienberichten zufolge soll das Fernbehandlungsverbot auf dem Ärztetag im Mai 2018 aufgehoben werden. Es gäbe dann keine Hürden mehr für Video-Sprechstunden.

Ein Vorstoß, der in Anbetracht eines allseits beschworenen Therapeutenmangels auch von der Politik aufgegriffen werden könnte.

Nun die Frage an euch alle: Wie steht Ihr zu diesem Thema?

GlG
Horst





RE: Fernbehandlung - zulässig? - Isolde Richter - 05.03.2018

Wow! Das ist ja eine super-interessante und umfassende Antwort auf diese wichtige Frage.

Ich fasse es jetzt nochmals mit meinen (bekanntermaßen) schlichten Worten zusammen: Smile

Heilpraktiker und Ärzte müssen den Patienten bei der ersten Behandlung und damit der Diagnosestellung immer persönlich gesehen und untersucht haben. Die folgenden Behandlungen können dann per Telefon oder Videiobehandlung erfolgen. Es sei denn, der Behandler muss davon ausgehen, dass sich mittlerweile eine neue Erkrankung eingestellt hat. Dann muss der Patient wieder in die Praxis kommen.

Berater dagegen dürfen ihre Beratung von Anfang an per Video/Telefon durchführen. Sie müssen ihren Kunden nicht persönlich gesehen haben.


RE: Fernbehandlung - zulässig? - Simone K. Ammann - 05.03.2018

Vielen lieben Dank lieber Horst und vielen Dank liebe Isolde
für eure super Erklärungen.

Danke das die Frage auch für uns hier im Forum beantwortet
worden ist und danke an den Fragesteller.


RE: Fernbehandlung - zulässig? - Silke Uhlendahl - 06.03.2018

Danke Horst für die ausführliche Darstellung!


Wir haben so was schon direkt im E-Mail Autoresponder und auch auf der Homepage:


Zitat:(...)
Bitte beachten Sie dass Frau Uhlendahl  im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht und der gültigen Rechtssprechung für Heilberufe keine reinen Fernbehandlungen anbieten kann!
Telefonische Beratungen/ Facetime/Skype  können nur bereits persönlich bekannte Patient/innen in Anspruch nehmen.(...)



RE: Fernbehandlung - zulässig? - Gudrun Nebel - 06.03.2018

Lieber Horst  Heart

herzlichen Dank für diese ausführliche Antwort.
Das ist ja gerade superpassend zum Seminar:
Erfolgreich in der Beraterpraxis

Dankeschön  Heart


RE: Fernbehandlung - zulässig? - corneliagrae - 06.03.2018

Fernbehandlung - da muss ich immer an meinen Bänderriss vor einigen Jahren denken - es war ein Betriebsunfall und ich musste deshalb zu einem D-Arzt in eine kleinstädtische Klinik. Den benannten Arzt hab ich nie zu Gesicht bekommen, aber wechselnde Kollegen. Die Behandlung eines Arztes bestand darin, dass er aus ungelogen 3-4m Entfernung auf meinen Fuß in der Aircastschiene blickte und fragte "Wie geht's?" - "Es schmerzt, ich kann noch nicht richtig auftret..." - "Ah, ich schreibe nochmal zwei Wochen krank. Bekommen Sie draußen, tschüss!" Das empfand ich auch als Fernbehandlung Big Grin

Ernsthaft: Ich denke, dass das in vielen Bereichen sehr hilfreich wäre, die Regelungen zu lockern. Wenn man beispielsweise bei Grippewellen wie zur Zeit sich nicht stundenlang in Wartezimmer setzen muss und sich ansteckt, oder wenn man eine Krankmeldung braucht und es einem jedem ansieht und hört, dass man krank ist, man nicht extra zum Arzt muss, sondern das über Videotelefonate klären kann. Ebenso bei kleineren Nachbesprechungen wäre es hilfreich, das "remote" zu machen, als wieder eine lange Anreise + Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen.

Ich bin aber auch jemand, der diese Unabhängigkeit und Freiheit und technischen Möglichkeiten liebt und seit jeher nutzt und damit keine Berührungsängste hat.