heute wurde mir die Frage gestellt, ob eine "Fernbehandlung oder Fernberatung" durch einen HP oder einen Gesundheitsberater zulässig sei.
Da ich denke, dass dieses Thema auch für andere interessant sein könnte, stelle ich es hiermit im Forum ein, damit wir uns hier darüber austauschen können.
Austauschen deswegen, da die Frage viele Facetten hat, die zu berücksichtigen sind und eine einfache Antwort mit "ja" oder "nein" sehr kurz gesprungen wäre.
Also stellen wir uns mal janz dumm und tasten uns schrittweise vor:
I. Was ist eine Fernbehandlung?
Nach einer medizinrechlichen Definition liegt eine Fernbehandlung liegt vor, wenn der Kranke oder für ihn ein Dritter dem Arzt, der die Krankheit erkennen und behandeln soll, Angaben über die Krankheit, insbesondere Symptome oder Befunde übermittelt und dieser, ohne den Kranken gesehen und die Möglichkeit einer [körperlichen unmittelbaren] Untersuchung gehabt zu haben, entweder die Diagnose stellt und/oder eine individuelle ärztliche Beratung oder Behandlung vornimmt.
II. Näher beleuchtet wird die Zulässigkeit der Fernbehandlung in der Berufsordnung für Ärzte in § 7 Abs. 4 MBO-Ä (ähnlich der Berufsordnung für Heilpraktiker).
Hier heißt es:
„Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.“
Sinn und Zweck der Regelung in § 7 Abs. 4 MBO-Ä ist, dass sich der Arzt von dem jeweiligen Patienten ein unmittelbares Bild durch die eigene Wahrnehmung verschafft und sich nicht allein auf Schilderungen des Patienten oder Informationen Dritter verlassen soll.
Das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung und die damit korrespondierende grundsätzliche Pflicht des Arztes zur persönlichen Leistungserbringung verfolgen den Zweck, nicht durch eine fehlende persönliche Untersuchung die Behandlungsqualität einzubüßen und damit die Patientensicherheit zu gefährden. Eine zulässige Fernbehandlung hat genauso wie jede andere ärztliche „traditionelle“ Behandlung den Facharztstandard zu gewährleisten".
Zusammengefasst heißt dies, dass jegliche individuelle Beratung/Behandlung sich zunächst auf eine persönlich durch den Behandler durchgeführte Diagnose im direkten Kontakt mit dem Patienten stützen muss, wobei der Behandler "mit allen seinen 5 Sinnen in Kontakt mit dem Patienten" treten soll. Die daraufhin verantwortungsvoll gestellte Diagnose stellt dann die Grundlage für die Beratung/Therapie (im Einvernehmen mit dem Patienten) dar. Auch nachfolgende weitere Behandlungsmaßnehmen können sich auf diese Erst-Diagnose stützen, können dann also auch telefonisch oder über Video/Internet-Kontakte erfolgen.
III. Was sagt das Heilmittelwerbegesetz dazu?
Das Heilmittelwerbegesetz (§ 9 HWG) legt fest, dass eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht (Fernbehandlung), unzulässig ist.
Verboten wird mit dieser Vorschrift die Werbung für eine Fernbehandlung und nicht die Fernbehandlung als solche.
IV. Patientenrechtegesetz
Wenn also eine Fernbehandlung für Ärzte und HPs (auf der Basis einer persönlich gestellten Erst-Diagnose durch den Behandler selbst) zulässig ist, was sagt dann das Patientenrechtegesetz (§§ 630a - 630h BGB) dazu?
Die §§ 630c und 630e verpflichten den Behandler zu umfangreichen Aufklärungspflichten über .... "insbesondere die Diagnose".
Fehler hinsichtlich der Diagnose können für den Behandler teuer werden, denn § 630h bestimmt die Beweislast für Aufklärungs- und Behandlungsfehler wie folgt:
"„§ 630h BGB Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler.
Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wen es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.“
Konkret: Hätte eine persönliche Diagnose des Behandlers eine andere Beratung/Behandlung nahe gelegt und hat das Unterlassen der unmittelbaren Untersuchung zum Unterlassen einer erfolgversprechenden Behandlung geführt, liegt ein fahrlässiger Behandlungsfehler nahe mit möglicherweise unangenehmen zivil- oder strafrechtlichen Konsequenzen.
V. Fernbehandlungsverbot für Gesundheitsberater?
Obige Ausführungen treffen nicht auf Beraterberufe zu.
VI. Ausblick
18.12.2017 - In Baden-Württemberg hat die Ärztekammer das Fernbehandlungsverbot der MBO-Ä in besonderen Fällen schon aufgehoben. Nun will wohl die Bundesärztekammer nachziehen: Medienberichten zufolge soll das Fernbehandlungsverbot auf dem Ärztetag im Mai 2018 aufgehoben werden. Es gäbe dann keine Hürden mehr für Video-Sprechstunden.
Ein Vorstoß, der in Anbetracht eines allseits beschworenen Therapeutenmangels auch von der Politik aufgegriffen werden könnte.
Nun die Frage an euch alle: Wie steht Ihr zu diesem Thema?
GlG
Horst