Ich komme ursprünglich aus dem Rettungsdienst. Dort gibt es ein verbreitetes Phänomen: Je weniger Ausbildung die Leute haben, desto weniger machen sie auch. Es ist tatsächlich nicht so, dass dort "Ehrenamtliche mit Spritzen rumrennen", wie oft kolportiert wird. Von ein paar Irren - die es überall gibt - mal abgesehen
Gefährlich sind eher die Mitarbeiter, die sich selbst "Profis" nennen und eine gewisse Ausbildung erfahren haben. Bis 1989 waren das - man glaubt es kaum - 520 Stunden. Danach wurde das Berufsbild des Rettungsassistenten eingeführt. Das bedeutet konkret: Ein Jahr Schule, Staatsexamen und danach ein weiteres Jahr "Praktikum" (d.h. volles Mitarbeiten im Schichtdienst) ohne eine nochmalige Prüfung. Seit 2015 gibt es jetzt das Notfallsanitätergesetz, das eine 3-jährige Ausbildung vorschreibt. Aus meiner Erfahrung sind die "alten" Rettungssanitäter mit der 520-Stunden Ausbildung und einer automatischen "Überleitung" zum Rettungsassistenten nicht das Problem. Es sind die jungen "Rambos", Anfang 20 (oft auch völlig hypertrophe junge Frauen!), mit Staatsexamen und bald mit der "Lizenz zum Töten" (Ärzteaussage zum neuen Notfallsanitätergesetz), die mir Sorgen machen.
An was liegt das? Es gibt einen alten Spruch, dass die Unwissenden ruhig sind, weil sie Angst haben, sich zu blamieren. Die Wissenden (i.S. von gut ausgebildet und erfahren) sind auch vorsichtig, weil sie gelernt haben, was alles passieren kann. Gefährlich sind die "Halbwissenden", weil die meinen zu wissen, die Gefahren aber (noch) nicht erlebt haben und deshalb vor Selbstvertrauen nur so strotzen.
Das Halbwissen in der Medizin ist nicht unbedingt eine Frage des Studiums. Es geht vielmehr darum, dass auch approbierte Ärzte nicht einfach auf Patienten losgelassen werden. Sie durchlaufen in den Kliniken erst einmal eine langjährige "Durststrecke" unter Aufsicht von Fach-, Ober- und Chefärzten (so die Theorie) und nicht zuletzt immer beobachtet von erfahrenen Pflegekräften. Das hat eine lange Tradition und ist sicher nicht verkehrt. Genau darin sehe ich das Problem bei uns Heilpraktikern: Was nützt eine gute Ausbildung und eine strenge Prüfung, wenn wir anschließend alleine gelassen werden und jeder auf sich gestellt ist, wenn es darum geht, Erfahrungen am Patienten zu sammeln? Uns fehlt tatsächlich eine "klinische" Phase unter Aufsicht von erfahrenen Kollegen und das vor der Zulassung bzw. Prüfung.
So liegt es an jedem einzelnen HP, wie verantwortungsvoll er/sie mit diesem "Manko" umgeht und sich langsam an das Erfahrungswissen heran tastet, das für einen guten Therapeuten notwendig ist. Trotzdem sollten wir uns mit der Kritik an anderen Berufsgruppen zurück halten, denn der Schuss kann leicht nach hinten losgehen. Überlasst die Wertung unserer Arbeit lieber den Patienten und haltet Eure Praxis "sauber" (so gut es geht; jeder macht mal Fehler). Alles andere ist müßig.