Definition
Die Anthroposophie (von griech. anthropos, Mensch, und sophia, Weisheit) ist eine gnostische Weltanschauung, die von Rudolf Steiner begründet wurde. Die anthroposophische Medizin versteht sich nicht als alternative Medizin, sondern möchte die Schulmedizin ergänzen.
Anthroposophische Ärzte versuchen, die Ursachen einer Erkrankung ganzheitlich und mit Hilfe geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse, die auf die Ärztin Ita Wegman und den Philosophen Rudolf Steiner zurück gehen, zu erfassen. Der Lebens- und Krankheitsverlauf, das soziale und familiäre Umfeld sowie die Persönlichkeit des Erkrankten spielen bei dieser Betrachtung eine entscheidende Rolle.
Historische Entwicklung
Rudolf Steiner entwickelte die theoretisch-methodischen Grundlagen der AM in Vorträgen für Ärzte und Medizinstudenten sowie in dem 1925 mit der Ärztin Ita Wegman herausgegebenen Buch „Grundlegendes zu einer Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen“. Anfang der 1920er Jahre entstanden in Filderstadt (bei Stuttgart) und Arlesheim (Schweiz) erste klinisch-therapeutische Institute.
Für die Herstellung anthroposophischer Arzneimittel entstanden parallel pharmazeutische Laboratorien, aus denen später die Arzneimittelbetriebe Weleda und Wala hervorgingen.
Grundlagen und Wirkungsweise
Die anthroposophische Medizin unterscheidet beim Menschen vier „Wesensglieder“:
• physischen Leib („toter Leib“)
• Ätherleib („belebter Leib“)
• Astralleib („Empfindung“)
• das „Ich“ („Geist“)
Durch das Zusammenwirken dieser Wesensglieder entstehen drei Funktionssysteme:
• das Nerven-Sinnes-System (Träger des Denkens)
• das rhythmische System (Träger des Fühlens)
• das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System (Träger des Wollens)
Durch ein Ungleichgewicht dieser Systeme, so die Sichtweise der anthroposophischen Medizin, entstehen Krankheiten bei einem Menschen. Zur Therapie werden anthroposophische Arzneimittel aus natürlichen Rohstoffen (z. B. Mistelextrakt bei Krebserkrankungen) mit dem Ziel eingesetzt, das verlorene Gleichgewicht wieder herzustellen. Die AM sieht den Patienten aber auch in einer außergewöhnlich hohen Eigenverantwortung, an seiner Heilung mitzuwirken. So werden Selbstheilungskräfte angeregt, aber auch Verhaltensweisen geübt, welche die Genesung und die Aufrechterhaltung der Gesundheit fördern sollen. Künstlerische Tätigkeiten sollen den Heilprozess noch weiter beschleunigen. So beschäftigt sich der Patient mit Malerei, Musik, Tanz („Heileurythmie“) oder Sprachgestaltung, um Essentielles über sich selbst kennen zu lernen und zu seinem inneren Wesen durchzudringen. Physikalische Maßnahmen, um z. B. die Durchblutung und den Stoffwechsel anzuregen, werden in Form von Bädern, Auflagen und Wickel verordnet, aber auch die „Rhythmische Massage nach Ita Wegman“ findet ihre Anwendung.
Wissenswertes
Der „Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland“ (GAÄD) sind gut 1.000 Mitglieder angeschlossen. Schätzungsweise arbeiten circa 4.000 Ärzte mit anthroposophischen Präparaten.
5 Kliniken in Deutschland und 3 Kliniken in der Schweiz arbeiten nach den Prinzipien der AM.
Die Privat-Universität Witten/Herdecke bietet ein Integriertes Begleitstudium „Anthroposophische Medizin“ mit Zertifizierung an.
AM wird in Deutschland z. B. mit der Homöopathie und der Phytotherapie als eine „besondere Therapierichtung“ im Sinne des Sozialgesetzbuches und des Arzneimittelgesetzes eingestuft.