Wie ihr sicher schon wisst, arbeite ich mit meinem Mann zusammen. Das heisst, dass wir schon mal mindestens 10 Stunden am Tag nebeneinander im Labor tätig sind....schon mal der reine Wahnsinn schlechthin.
Was ihn allerdings nicht davon abhält, mir, sobald sich die Labortür hinter mir schliesst, die Aufgaben zuzuweisen, die taditionell in Italien, wie wohl auch in anderen Ländern, den Frauen zufällt. Das Kochen ist dabei wohl eine der wichtigsten Aufgaben. So meist gegen 19 Uhr, also etwa eine halbe Stunde vor dem offiziellen Ende des normalen Arbeitstages, kommen da plötzlich Gelüste auf. Die dann mit der erwartungsvollen Frage " was gibts denn gleich zu essen?" Ausdruck gegeben werden. Zu diesem Zeitpunkt ist mein Stressbarometer meist in steilem Anstieg. Erstens will ich meine Arbeit fertig machen, die sich seit Stunden schon weigert, verkäufliche Formen anzunehmen. Auf diese Arbeit wartet am Montag morgen eine zahnloser Pazient, der Termin ist natürlich unverschiebbar! Zweitens versuche ich seit Wochen, den Gedanken an Essen und Kochen weit von mir zu schieben, schliesslich bin ich Mitglied im Speck- Weg-Club! Und drittens, beim gezwungenen Nachdenken ueber möglichst in kürzester Zeit realisierbare kulinarische Genüsse muss ich leider
feststellen....der Kühlschrank ist leer! Vorratsschrank auch! Etwas aus der Gefriertruhe
bekomme ich nicht mehr aufgetaut. Relikte aus der Zeit, wo ich noch Zeit hatte zum
Kochen und wohlweisslich mehrere Portionen für solche Notfälle eingefroren habe, sind
auch nicht mehr da. Mist...und heute ist Freitag! Zusammen mit Samstag morgens der
absolut schlechteste Termin für den Supermarkt.
Ich mache noch ein bisschen an dieser Arbeit herum, dann gibt es keinen Aufschub mehr.
Damit habe ich die freie Wahl, entweder nach dem Abendessen weiterzumachen, oder am
Wochenende. Beide Möglichkeiten erfüllen mein Herz mit tiefster Freude
Also reisse ich mir den Kittel vom Leib, springe ins Auto ( verdammt, ich habe noch die
Laborschlappen an!) und finde so gegen viertel vor acht einen Parkplatz beim Supermarkt.
So ungefähr drei Kilometer zu Fuss in Laborschlappen. Da ich den nächsten Lebensmittel-einkaufs- Trip so weit
wie möglich herausschieben will, brauche ich einen Einkaufswagen. Und der will einen
Euro!
Ich habe doch immer einen im Auto für genau solche Zwecke deponiert. Er fehlt! Ach ja,mein Mann war gestern beim Steuerberater und der kleine Euro ist mit Sicherheit einer
gefrässigen Parkuhr in den Rachen geworfen worden. Dabei habe ich ihm schon mehrmals
für den Verlust mit einem qualvollen Tod gedroht. Meinem Mann, nicht dem Euro
Ok, dann muss ich mit zusammengekratztem Kleingeld in der Hand auf jemanden warten,der mir seinen Wagen samt ( hoffentlich!) deponiertem Euro überlässt. Dabei bin ich
schon öfters mal voll auf ein altes 200-Lire Stück oder eine wertlose Parkmarke
hereingefallen. Dieser Eigentümer versichert mir ernsthaft, da einen Euro reingetan zu haben. Kann ich ihm nur glauben, ist mir im Moment auch mehr als wurscht.
Er hätte allerdings ein bisschen besser sein Gefährt auswählen sollen. Etwas stimmt nicht mit einer Rolle, das Ding zieht deutlich nach links und hüpft auch fröhlich dabei. Tatumm, tatumm, tatumm.......das wäre ihm mit seinem Auto nicht passiert, mann!
Martina schiebt das unwillige Gerät geraeuschvoll im Laufschritt durch die Pforten des Einkaufstempels, die sich auch noch bereitwillig vor ihr auftun. Die Supermärkte sind doch
alle gleich. Erst einmal gestapelte Sonderangebote, die, wenn man sich die Mühe macht, da
nachzurechnen, gar keine sind...oder das Haltbarkeitsdatum läuft um Mitternacht ab, oder
man muss mindestens sechs Kinder, vier Hunde und die Nachbarn mitbeköstigen.
Dann kommt Obst und Gemüse. Das muss man selbst auswählen,abpacken, abwiegen, Etikett aufkleben. Also erstmal Handschuhe an. Die zieht man aus einem Kasten mit ungefähr tausend Stück. Für den einen, den man braucht, fallen mindestens zwanzig zu Boden. Aufheben, reinstopfen! Hygiene? Mir doch egal jetzt, die waren bestimmt schon zig-mal am Boden. Anziehen...eine Prozedur für sich, bei der ich glücklicherweise berufsmässig Übung habe. Wer in die engen Latex- Handkondome reinkommt, hat wenigstens keine Probleme mit den riesigen Plastikdingern. Los gehts!
Aufpassen, die Säckchen sind nicht sehr widerstandsfähig. Man kann da endlos oben
Zucchinis reinstopfen, wenn das andere Ende ein Loch hat. Oder den Weg zur Waage nur
halb zurückgelegt haben, wenn die Kartoffeln schon unter die Regale kullern. Mist, die erste
Waage ist defekt, die Etikettenrolle leer. Muss ein Mann gemacht haben!
Deshalb war es so schoen leer hier....vor der nächsten Waage steht eine Schlange, die geduldig darauf wartet, dass eine junge Mutter ihrem zweijährigen Spössling, der unbedingt Hand anlegen will, deren Funktion erklaert.
Dummerweise hat jeder Artikel eine Nummer, die man in die Waage eingeben muss. Also
erst mal alles einsammeln und zusammen zur Waage bringen, geht nicht. Beim zweiten
Säckchen streikt mein Gedächtnis.Der Platz ist noch definitiv besetzt mit Paragraphen und
IFKs.
Verzweifelt suche ich eine dritte Waage, die sich auch versteckt am anderen Ende der Abteilung findet. Also lege ich mehrere Kilometer zurueck mit Aussuchen, Abpacken, Wiegen und dem richtigen Aufkleben der richtigen Etiketten auf das richtige Säckchen. Ich
will doch nicht später an der Kasse als Betrügerin entlarvt werden! Weiter!
Mitlerweile schiebe ich meinen Karren wie Niki Lauda in seinen besten Zeiten .Um Hindernisse und Kurven herum, das es nur so kracht. Hinter mir.....
Warum sind die Gänge auch so eng, dass nur ein Wagen durchpasst? Und warum muss da auch immer schon einer stehen? Also parke ich den meinen auch hinter der Gefriertruhe dicht neben anderen dreien und mache mich alleine auf, andere Kleinigkeiten einzusammeln. Der freundliche Aufruf, sich bitte sofort direkt zur Kasse zu begeben, da der Supermarkt in 5 Minuten schliesst,bringt nochmal einen Adrenalin-Schub. Mir bricht der Schweiss aus, was koche ich bloss gleich? O ja, Spiegeleier....her mit dem Karton. Ich dribbel in den engen Gängen um andere Kunden und deren Wagen herum wie Balotelli. Mit ihm kann nur meine bescheidene Sonnenbräune nicht ganz mithalten
Mein Arm ist voll, ich sprinte zurück zum Wagen. Alles rein, weiter zur Kasse, an mindestens vier Reihen Regalen voll mit total schädlichen Sachen, die angeblich essbar
sein sollen ( Soviel habe ich schon gelernt, liebe Gudrun!). Brauch ich nicht (mehr) Die Haushaltsabteilung ist schoen leer, da kann man ungehindert versuchen,den neuen Rekord der hundert- Meter aufzustellen. Solange es die Laborschlappen erlauben.
Zwischendurch Arm ausstrecken, um diverse Artikel, die mir mein Gedaechtnis nahe legt, in den Wagen zu werfen.
Dann bin ich bei der Kasse angelangt. Schlange, es ist nur noch eine geöffnet. Vor mir die gleiche junge Mutter mit dem wissbegierigen Kleinkind. Hilfe, er will unbedingt eins oder mehrere dieser kleinen, bunten voellig unnuetzen und ungesunden Sachen, die strategisch von sadistischen Planern genau für diesen Zweck in Kinderhöhe vor den Kassen plaziert werden. Sie sagt nein, er sagt ja und nimmt sich, was er will.
Ich beäuge neugierig den Kampf zweier durchaus ebenbuertiger Dickköpfe. Er sieht unglaublich energisch aus, greift zum dritten Mal nach dem Objekt seiner Begierde und bekommt eins auf die Finger. Das plötzlich einsetzende Geschrei macht jeder Feuerwehrsirene Konkurrenz.
Ich bewundere zutiefst sein enormes Atemzugsvolumen, als auch seine kleine Schwester, die bisher still am Schnuller nuckelnd die Szene beobachtet hat, aus Solidarität beim Konzert mitmischt. Dabei rollt der Schnuller unter meinen Einkaufswagen.
Ich rolle zurück, leider über die Füsse der hinter mir wartenden Kundin ,entschuldige mich
und reiche das glitschige Ding der dankbaren Mutter. Die es ungerührt zur Reinigung abschleckt und der kleinen Dame in den weit aufgerissenen Hals schiebt. Währenddessen
dreht der Eigentümer der Sirene noch mal am Lautstärkenregler. Unglaublich! Die zutiefst
bedauernswerte Frau schafft es, alle Einkäufe in den Wagen zu verfrachten, zu bezahlen
und mit Sirenenbegleitung abzufahren. Ich hatte schon erwogen, den Anlass des Geschreis
als Spende zu erwerben.....oder meinen Schal als Mordinstrument.
Endlich bin ich dran, ich lege meine Einkäufe aufs Band als mir etwas Seltsames auffällt. Das habe ich gekauft? Wann? Wofür? Und wo sind die Eier? Beim Verladen einer 5-Jahrespackung Pampers dämmert mir die furchtbare Wahrheit.... Ich bin mit dem falschen Einkaufswagen abgefahren!
Das kann nur beim Parkplatz hinter der Gefriertruhe passiert sein. Alles wieder rein, ich versuche dabei, das genervte Gestöhne der Kassiererin und der hinter mir wartenden Menschen zu überhören. Kann doch jedem mal passieren, Mensch! Ich stelle mich zur Seite
und brauche gar nicht lange zu warten, als eine Kundin völlig aufgelöst mit meinen Sachen
um die Ecke gerauscht kommt. Von ihr sind auch Sachen im Wagen drin, deshalb erstmal
gegenseitige Versicherungen, es nicht mit Absicht getan zu haben und Aussortieren. Wir
sind die beiden letzten heute abend. Ich habe natuerlich auch meine Einkaufstaschen zu
Hause gelassen und bin gezwungen, ein paar Plastiktaschen für den Preis einer Gucci-
Handtasche zu erwerben. Alles rein in die Tüten, ab zum Auto, Taschen reinhiefen ( der
Rücken knirscht ganz unwillig dabei) ,Wagen wegbringen ( Hurra! Der Mann war ehrlich.
Es ist ein Euro drin!) ,nach Hause fahren. Zu Hause angekommen, tropft es gelb aus einer Tüte. Die Eier! Programmänderung: Es gibt heute Rührei. Frau ist ja flexibel!
Glückliche Patentante von nadinebe