Vielleicht haben nicht nur die THPs Spaß an diesem neuen Abenteuer....
Seit etwa einem Jahr leidet mein betagtes Kampf-Katerchen an einer Niereninsuffizienz. Er ist recht munter und zeigt auch sonst außer einem riesigen See beim Pieseln keine Anzeichen von Problemen. Die Probleme habe eher ich, weil er wohlerzogen fleißig buddelt, um den See sauber zu verschütten und sich dabei die Pfoten einschlämmt. Mit denen er mir dann im ganzen Haus herumläuft. Bevorzugt auf dem Kristalltisch und dem Bettüberwurf.
Selbstverständlich bekommt er von mir Mittel zur Behandlung. Dabei stellte sich folgendes Problemchen: Wie bekommt man ihn dazu, eine Pille zu schlucken? Hier mein Bericht.
1. Versuch
Ich erkläre ihm, warum er die winzige Tablette einnehmen muss, fülle seinen Teller mit einer Leckerei, die ich ihm nach erfolgreichem Schlucken verspreche. Der Teller steht in Sicht- und Riechweite auf dem Küchentisch.
Ich nehme den Kater auf den Schoß, biege sein Köpfchen in den Nacken und öffne vorsichtig sein Mäulchen mit dem Zeigefinger. Dann lasse ich die Tablette in seinen Rachen fallen.
War nichts.
Meine Bluse ist vollgesabbert, die Tablette klebt an der Hose. Der Kater ist weg. In der Zwischenzeit hat die andere Katze den Teller leergefressen.
2.Versuch
Ich nehme eine neue Tablette und gehe auf die Suche nach dem Kater. Ich ziehe ihn unter dem Sofa hervor, klemme ihn mir zwischen die Beine und öffne sein Mäulchen vorsichtig mit einem Bleistift. Ich schiebe ein Lineal hinein und lasse die Tablette darauf in den Rachen kullern.
Sie kullert unters Sofa. Der Bleistift steckt im Sofa. Das Lineal ist kaputt, meine Strumpfhose auch. Der Kater hangelt sich an meiner neuen Lederjacke auf die Garderobe. Dort sitzt auch schon die andere mit schlechtem Gewissen nach dem frechen Diebstahl. Beide lächeln mich an, wie es scheint.
3. Versuch
Ich brauche die Hilfe meines Mannes. Er holt den Kater von der Garderobe und wickelt ihn in ein Badetuch. Nur der Kopf schaut heraus. Aus dem schon bereits aufgesperrten Mäulchen hört man ein leises, warnendes Knurren, welches ich ignoriere. Ich nehme einen Strohhalm, klemme die Tablette hinein und versuche, sie ihm in den Hals zu blasen.
Mein Mann bläst mir den Marsch. Sein Unterarm blutet. Der Kater hängt im Vorhang. Das Badetuch hat ausgedient. Die Tablette habe ich geschluckt.
Ich sage nichts, bandagiere den Arm meines Mannes, versuche mich an den Zeitpunkt seiner letzten Tetanus-Schutzimpfung zu erinnern und wische die Blutflecken vom Fußboden. Dabei würge ich heftig an dem widerlichen Geschmack im Mund von der Tablette. Alles Ok, der Beipackzettel gibt Entwarnung: Beim Menschen wird dem Mittel nur eine harmlose abführende Wirkung bescheinigt.
4. Versuch
Ich brauche einen neuen Vorhang. Da es den gleichen nicht mehr gibt, werden es wohl sechs neue werden müssen. Sie waren schließlich schon über ein Jahr alt.
Den Kater hole ich unter dem Bett hervor, indem ich Matratze und Lattenrost entferne. Das hätte ich lange schon mal tun sollen, denn die Staubmäuse ähneln ausgewachsenen Bibern. Dabei geht die Nachttischlampe zu Bruch. Ich mochte sie sowieso nicht gut leiden. Die andere werde ich dann wohl der nächsten Weihnachtstombola beisteuern.
Den Kater klemme ich (mit Hilfe einer frisch geöffneten Thunfischdose) in eine extra ausgeleerte Küchenschublade. Aus der Tiefe seines Sarges dröhnt das Grollen eines nahenden Vulkanausbruchs.
Ich bitte meinen Mann, mir im Garten einen Zweig abzuschneiden. Aus einer Astgabel und einem Weckgummi bastele ich mir eine Flitsche.
Ich öffne vorsichtig die Schublade, so dass nur der Kopf herausschaut. Die Augen glühen. Das Mäulchen faucht, ich kann mühelos feststellen, dass sich das Tierchen bester Zahngesundheit erfreut. Ich schieße also mit der Flitsche eine Tablette in den weit aufgerissenen Hals.
Während ich die Scharniere der Schublade wieder zusammenschraube, halte ich mir eine Packung gefrorener Erbsen an die blutende Nase. Ich stinke nach dem Thunfisch in den Haaren. Die Bluse ist hin. Der linke Daumen ist dick, der Nagel blau. Der Kater ist weg. Mein Mann auch.
Er steht an der Haustür und wimmelt zwei Personen vom Tierschutz ab. Sie gehen erst, als der Kater in Siegerpose an ihnen vorüberstolziert.
Ich schwöre, ein Grinsen auf seinem Gesichtchen erkennen zu können.
5. Versuch
Ich rufe die Feuerwehr an, um den Kater von Nachbars Baum zu holen. Sie brauchen drei Stunden dafür. Der private Einsatz kostet mich 380 Euro. An der Tür klingelt es schon wieder. Dieses Mal ist es ein Radfahrer, der beim Ausweichen der Katze in den Zaun gefahren ist. Ich verbinde seinen Ellenbogen und das Knie und reiche ihm die Visitenkarte meines Versicherungsvertreters.
Mein Mann bringt mir eine Rolle Klebeband. Damit wird der Kater an den Küchentisch gefesselt. Ich ziehe meine Gartenhandschuhe aus Leder an, mit denen ich normalerweise die Rosen schneide. Der Kater sagt keinen Mucks. In seinen Augen aber leuchtet der pure Hass. Ich drücke die letzte Tablette aus der Alufolie, gar nicht so einfach mit den ollen Handschuhen......
Während man mir in der ophthalmischen Notaufnahme die Tablette aus der Netzhaut des linken Auges pult und meinen Arm zusammennäht, bitte ich meinen Mann, den Fliesenleger anzurufen. Das Brecheisen (zum Öffnen des Mäulchens) hat zwei Bodenfliesen im Wohnzimmer arg beschädigt. Ich bezweifele insgeheim, noch Ersatz dafür zu haben.
Auf dem Rückweg vom Krankenhaus kaufen wir einen neuen Tisch bei Ikea. Unser Zustand erregt einiges Aufsehen.
6. Versuch
Die Tabletten sind alle. Der Kater ist weg. Ich habe Durchfall und sitze seit Stunden auf der Schüssel fest. Fing heute Nacht um halb vier explosionsartig an. Ich befürchte stark, die Bettwäsche zeigt es. Mein Weg vom Schlafzimmer über die Treppe bis ins Bad ist ebenfalls deutlich ausgeschildert.
Sobald ich wieder ein paar Schritte geradeaus laufen kann ohne die Beine verkreuzen zu müssen, werde ich in den Garten schlendern um mit dem heilen Arm heimlich das Gartentor zu Nachbars Grundstück zu öffnen.....
Ja, genau: der mit dem katzenhassenden Dobermann. Ich freue mich auf das Schauspiel.
Ich muss euch enttäuschen:
Nichts von alledem ist passiert. Mein Katerchen, obwohl sonst sehr biestig, hört auf meinen guten Rat. Er setzt sich hin, öffnet das Mäulchen und schluckt die Pille. Dabei schaut er mich mit einer erbarmungswürdigen Miene an. Natürlich gibt es für den heroischen Akt ein oder zwei Leckerchen.
Damit kann ich leben. Und er hoffentlich noch lange!
Glückliche Patentante von nadinebe