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Im Skript (Seite 58) ist ein Beispiel aufgeführt, was passieren könnte, wenn man einem zyanotischen Patienten als Erste-Hilfe-Maßnahme konzentrierten O2 geben würde (Atemstillstand).
Frage:
Wenn ein (neuer) Patient notfallmäßig meine Praxis aufsucht, der stark zyanotisch ist, dann müßte ich ja theoretisch erst sämtliche Untersuchungen durchführen, um eine schwere Lungenerkrankung aufzudecken. Hat man dazu dann die Zeit? Und die Möglichkeiten?
Wie wird das gehandhabt bei Unfällen - man sieht doch immer (z.B. im TV), dass da gleich die O2-Maske aufgesetzt wird. Und da weiß man doch auch nicht, ob eine Lungenerkrankung vorliegt.
LG - Kerstin
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Das Skript liegt mir leider noch nicht vor!
In erster Linie geht es darum, dass der Patient in dem Fall mit Sauerstoff versorgt wird, da bei einer Zyanose ein Sauerstoffmangel vorliegt.
Einige Möglichkeiten ergeben sich zu Beginn der Untersuchung erst gar nicht, da es teilweise an Zeit fehlt, aber auch die Untersuchungsmöglichkeiten aufgrund von fehlenden Materialien nicht gegeben sind.
Wichtig ist allerdings, welche Menge man an Sauerstoff abgibt. Im Rettungsdienst gibt es dafür folgende Formel zur Berechnung :
1. Man berechnet das Atemzugsvolumen : 12 ml pro kg Körpergewicht
2. Man berücksichtigt die Atemfrequenz : Erwachsene 15x / min, Kinder : 20-30x / min, Kleinkinder : 30-40x / min, Säuglinge : 40x / min
3. Dadurch wird das Atemminutenvolumen errechnet : Atemzugsvolumen x Atemfrequenz
Interessant ist, dass Sauerstoff das einzige Medikament ist, was man als Nicht-Arzt verabreichen darf, ohne dass man dafür belangt werden kann.
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Ich frage mich gerade, ob man Sauerstoff als Medikament bezeichnen kann?
Das sagt Wikipedia dazu:
Arzneimittel, veraltet Arzenei kurz Arzneien oder gleichbedeutend Medikamente (lateinisch medicamentum - das Heilmittel) sind „Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bestimmt sind oder aber im oder am menschlichen oder tierischen Körper verwendet oder einem Menschen bzw. Tier verabreicht werden können, um entweder die menschlichen bzw. tierischen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.“ Diese etwas sperrige Beschreibung basiert auf den Definitionen in den zwei grundlegenden gesetzlichen Regelwerken über die Human- und Tierarzneimittel in der Europäischen Union, den Richtlinien 2001/83/EG [1] (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) und 2001/82/EG [2] (Gemeinschaftskodex für Tierarzneimittel) in der jeweils gültigen Fassung. Sie ist mittlerweile in etliche nationale Arzneimittelgesetze eingeflossen, darunter auch in das deutsche Arzneimittelgesetz. Die Behandlung mit Arzneimitteln wird als Medikation bezeichnet.
Dan müsste der Einstz von Sauerstoff im Arzneimittelgesetz geregelt ein?
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Im Rettungsdienst wird es als Medikament bezeichnet, da man mit der Sauerstoffgabe eine Verschlimmerung der Zyanose versucht auszuweichen. Außerdem dient es - gerade bei Atmungsproblemen - als Erleichterung. Manchmal wird es auch nur zur Beruhigung (nicht als Beruhigungsmittel als solches !!!) angewandt, damit der Patient merkt, dass man sich um ihn kümmert.
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Nicht ganz ernst gemeinte Antwort:
Dann gilt für mich Lakritze auch als Medikament!
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Ich verstehe es im Skript so, dass überhaupt kein Sauerstoff gegeben werden darf.
Ich kopier mal hier rein (hoffe, ich darf das...) :
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen bläulich verfärbten (zyanotischen) Patienten vor sich, der unter einer schweren Lungenerkrankung leidet. Angenommen, dieser bekommt einen Anfall von Atemnot und Sie würden ihm als Erste-Hilfe-Maßnahme konzentrierten Sauerstoff zum Einatmen geben. In diesem Fall könnte es passieren, dass bei ihm der Atemantrieb aussetzt und es zum Atemstillstand kommt. Grund dafür ist, dass dieser Mensch seinen Atemantrieb aus dem Sauerstoffmangel im Blut bezogen hat. Wird nun sein Blut mit einem Schlag mit O2 angereichert, so fällt sein Atemantrieb weg.
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Ich hatte vorhin aus der Sicht des Rettungsdienstes geschrieben, es war vielleicht ein wenig irreführend geschrieben. Dort kann man teilweise nicht erkennen, ob eine Lungenerkrankung vorliegt. Zar kann man einiges ausschließen, aber leider nicht alles.
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Hallo Thorsten,
genau das meine ich ja ... dass man eben nicht immer die Möglichkeit hat, eine schwere Lungenerkrankung auszuschließen bzw. zu erkennen.
Wäre so jemand ein langjähriger Patient, dann weiß man vermutlich Bescheid und handelt entsprechend.
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Sehe ich grundsätzlich genauso!
Falls es sich um einen langjährigen Patienten handeln würde oder jemand, den man kennt, geht man auch ganz anders mit der Situation um.
Falls bei der Anamnese keine Vorerkrankungen festzustellen sind, würde ich auf jeden Fall Sauerstoff geben. Ein Restrisiko ist immer mit allem vorhanden!
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(02.08.2010, 13:06)Kerstin schrieb: Ich verstehe es im Skript so, dass überhaupt kein Sauerstoff gegeben werden darf.
Ich kopier mal hier rein (hoffe, ich darf das...) :
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen bläulich verfärbten (zyanotischen) Patienten vor sich, der unter einer schweren Lungenerkrankung leidet. Angenommen, dieser bekommt einen Anfall von Atemnot und Sie würden ihm als Erste-Hilfe-Maßnahme konzentrierten Sauerstoff zum Einatmen geben. In diesem Fall könnte es passieren, dass bei ihm der Atemantrieb aussetzt und es zum Atemstillstand kommt. Grund dafür ist, dass dieser Mensch seinen Atemantrieb aus dem Sauerstoffmangel im Blut bezogen hat. Wird nun sein Blut mit einem Schlag mit O2 angereichert, so fällt sein Atemantrieb weg.
Liebe Kerstin,
in der Praxis ist es so, dass diese Fälle in denen es tatsächlich zu einem Atemstillstand kam, äußerst selten sind (eine Rarität!). Trotzdem besteht natürlich die Möglichkeit, eine sog. Restrisiko wie Thorsten schreibt.
Eine wichtige Unterscheidung ist, ob es eine akute Zyanose infolge eines aktuellen Sauerstoffmangels ist, denn dann stellt die Sauerstoffgabe ja eh keine Gefahr dar.
Es dreht sich nur um die Fälle mit chronischer und schwerer Zyanose.
Im Notfall muss das Risiko in jedem einzelnen Fall abgeschätzt werden. Hast Du einen Patienten mit Atemnot und chronischer schwerer Zyanose, es besteht aber keine akute Lebensgefahr, dann wartest Du auf den Notarzt. Er soll dann den Sauerstoff geben.
Siehst Du, dass der Patient stirbt, gibtst Du Sauerstoff. Mein Lehrer sagte für diese Fälle immer: Toter als to kann man nicht werden. Wenn er also tatsächlich dabei ist zu sterben, wo liegt dann noch das Risiko?
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(02.08.2010, 13:27)Isolde Richter schrieb: Im Notfall muss das Risiko in jedem einzelnen Fall abgeschätzt werden. Hast Du einen Patienten mit Atemnot und chronischer schwerer Zyanose, es besteht aber keine akute Lebensgefahr, dann wartest Du auf den Notarzt. Er soll dann den Sauerstoff geben.
Siehst Du, dass der Patient stirbt, gibtst Du Sauerstoff. Mein Lehrer sagte für diese Fälle immer: Toter als to kann man nicht werden. Wenn er also tatsächlich dabei ist zu sterben, wo liegt dann noch das Risiko?
Besser hätte ich es jetzt auch nicht formulieren können, Isolde. Wie Du schon sagtest, toter als tot geht nicht. Grundsätzlich wäge ich (als Rettungshelfer) auch immer ab, was das sinnvollste im Moment für den jeweiligen Patienten ist. Es mag zwar im ersten Moment trocken klingen, aber in dem Moment, wo es um das eigentliche Menschenleben geht, stellt man negative Folgen hinten an.
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