Im Wartebereich sitzen bereits 3 Prüflinge als ich ankomme. Wir versuchen durch Scherzen die allgemeine Anspannung ein wenig zu lösen, was uns auch halbwegs gelingt.
Mit geringer Verspätung werde ich von Herrn Dr. Henning aus dem Wartebereich abgeholt. Er ist ein junger Arzt, freundlich aber eher zurückhaltend und förmlich.
Im Prüfungszimmer begrüße ich noch die Heilpraktikerin Frau Eilitz. Sie ist eine sehr betagte,
freundliche Dame, die am Prüfungstisch zu meiner Rechten saß.
Zu Beginn bekomme ich die Netter-Karte Querschnitt auf Höhe von Th XII vorgelegt. Es empfiehlt sich sehr, sich die Netter-Karten vor der Prüfung einmal angesehen zu haben. Da ich mir genau diesen Schnitt beim Frühstück noch einmal betrachtet hatte, war es überhaupt kein Problem.
Als nächstes legt Herr Dr. Henning mir ein Farbfoto in guter Qualität von einem Erysipel vor.
Ich soll es zunächst einfach beschreiben und dann erklären, auf was mich das Erscheinungsbild schließen lässt. Ich nenne das Erysipel, die möglichen Ursachen, mögliche Erreger, sich daraus ergebende Gefahren und Komplikationen. Dr. Henning fragt mich, wie ich dem Patienten denn helfen würde. Ich antworte, dass ich Behandlungsverbot nach § 34 IfsG habe, aber nach ärztlicher Abklärung und Antibiotikaverordnung begleitend durch kühlende Wickel, Hochlagerung etc, Linderung verschaffen kann.
Anschließend fragte mich Dr. Henning ob ich schon einmal von MRSA gehört habe. Dank der Protokolle der vergangenen Prüfungen hatte ich mir den Methicillinresistenten Staphylococcus Aureus sehr gut angeschaut und auch sofort parat. Entstehungsmechanismen der Multiresistenz etc.(Wikipedia ist Gold wert!).
Dann ein Fallbeispiel: Junge Frau kommt in meine Praxis und berichtet über rot gefärbten Urin. Was halte ich davon? Welche Ursachen kann das haben? Habe alles aufgezählt: Prärenale, intrarenale und postrenale Ursachen, rote Beete, Menstruation. Wie bestätige ich meinen Verdacht auf Makrohämaturie? Unrinstix.
Er fragt mich nach der häufigsten Ursache von unkomplizierten Blasenentzündungen und wie ich als HP damit umgehen würde. Ich nenne E-coli, Wärme und geeignete Tees. Er ist zufrieden.
Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass Herr Dr. Henning nur Basics erwartet. Er ist mit kurzen, prägnanten Antworten sehr zufrieden. Darüber bin ich froh, denn die unzähligen Details und Hintergründe, die ich zwar gelernt habe und weiß, sind stressbedingt bei mir kaum abrufbar.
Was kann ich ihm über die Wirbelsäule erzählen? Ich habe die verschiedenen Abschnitte aufgezählt, sämtliche Funktionen, Bandscheiben und ihre Funktion.
Eine Patientin hat einen Bandscheibenvorfall in Höhe L 5 S1. Was für Symptome zeigt sie?
Kompression des Nervus Ischiadikus, Ischialgie. Ich habe alle Symptome dem Schweregrad nach geordnet aufgelistet. Wie kläre ich meinen Verdacht ab? Lasègue- Zeichen. Welche Gefahren bestehen? Bleibende Nervenschädigungen. Herr Dr. Henning macht einen zufriedenen Eindruck.
Was kann ich Ihm über die Leber sagen? Ich habe alles aufgelistet, was im Lehrbuch von Isolde Richter an Funktionen steht. Daraufhin unterbrach er mich und meinte, ihm würde es reichen. (Er sagte das aber sehr freundlich und zufrieden.)
Er gab an Frau Eilitz ab.
Frau Eilitz fragte mich, ob mir der Begriff Altersemphysem etwas sagen würde und was ich darüber wisse.
An diesem Tag war scheinbar mein Glückstag, denn das Emphysem ist eine der Erkrankungen, über die ich ziemlich gut Bescheid weiß. Ich kombinierte das, was ich über das Emphysem im Allgemeinen sagen konnte mit den üblichen Alterungserscheinungen im Gewebe und den Gefäßen und dann passte es. Ich nannte noch die klinischen Symptome, die das Emphysem auszeichnen aber Frau Eilitz hatte Herrn Dr. Henning schon zugenickt um ihm zu verstehen zu geben, dass es genug war.
Nach nur einer knappen halben Stunde wurde ich nach draußen gebeten. Ich hatte keine 5 Schritte in Richtung Wartebereich gemacht, da rief mich Herr Dr. Henning schon wieder herein.
Beide gratulierten mir und meinten, es sei eine sehr gute Prüfung gewesen.
Nachwort:
Die Protokolle lesen sich immer viel schlimmer, als die Prüfung in Wirklichkeit war. Ich habe die meisten meiner Antworten bewusst weggelassen, weil man gerade beim eigenen Nachsuchen der möglichen richtigen Antworten am Meisten lernt.
Ich glaube, je mehr man es schafft, seine Antworten auf das Wesentliche zu reduzieren, desto eher ist die Prüfung vorbei. (Die Prüfer wollen ja schließlich auch pünktlich zum Mittagessen.)
Vor mir wurden zwei Prüflinge eine Stunde oder länger geprüft. Einer davon hat bestanden aber meinte, er hätte viel zu viel erzählt und sich dabei auch manchmal vergaloppiert. Also: bleibt bei dem, was Ihr sicher wisst und was wirklich wichtig ist.
Falls etwas fehlen sollte, wird der Prüfer freundlich nachfragen und euch helfen.
Ich wünsche euch allen viel Freude beim Lernen und vor Allem Zuversicht, dass ihr es schaffen werdet.
Vielen Dank auch an Isolde Richter, deren Grundkurs mir eigentlich das gesamte Wissen vermittelt hat, das für die Prüfung nötig war.
Das Lernen mit alten Prüfungsprotokollen hilft dann dabei, die wichtigen Themen, die geprüft werden noch einmal zu vertiefen.