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30.04.2010, 09:01
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13.05.2010, 19:17 von Isolde Richter.)
Hier stellt Geli einen neuen Fall vor.
Bin schon sehr gespannt, ob Ihr es erratet!
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2. Diagnoserätsel zu psychischen Erkrankungen
Eine junge Angestellte ist sehr erfolgreich in ihrem Beruf und jeder erwartet, dass sie einmal eine schöne Karriere machen wird, auch ihre Vorgesetzten. Bislang hatte sie immer Schreibtischarbeiten zu erledigen, die sie völlig problemlos bewältigen konnte. In letzter Zeit macht ihr Vorgesetzter immer wieder Andeutungen, dass sie versetzt und damit auch befördert werden soll, und dass vorgesehen ist, sie mit sehr interessanten Aufgaben zu betreuen. Auf Nachfragen erfährt sie, dass mit ihrer neuen Aufgabe viele Reisen verbunden sind, dass sie sehr viele Kundenkontakte pflegen soll und auch immer wieder neue Produkte durch Präsentationen vorstellen soll.
Diese Vorstellung beunruhigt aber die junge Angestellte sehr, weil sie schon sehr lange ein zurückgezogenes Leben führt mit kaum Kontakten zu Mitmenschen. Lassen sich aber soziale Begegnungen nicht vermeiden, machen sie ihr sehr viel Angst und werden von ihr nur unter äußersten Anstrengungen durchgestanden. Ihre Befürchtungen beziehen sich hauptsächlich darauf, sich nicht richtig zu verhalten, dadurch aufzufallen, rot zu werden und vor den Augen anderer peinlich dazustehen. Um diese für sie sehr belastende Situation zu vermeiden, lebt sie sehr einsam und fühlt sich dadurch sehr depressiv. Nur der Beruf machte ihr Freude. Aber die neuen beruflichen Aussichten bringen sie in panische Ängste.
Was glaubt Ihr, welche psychische Störung liegt hier vor?
Geli
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Hört sich nach ner sozialen Phobie an.
Aber bei Psyche bin ich noch nicht.
LG Anja
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Hm, Also steht sie unter Leistungsdruck und hat allen Anschein nach Versagensängste, geringes Selbstwertgefühl, geringes Selbstbewußtsein....
Soziale Angst verbunden mit posttraumatischen Balstungsstörungn vielleicht mit Tendenz einer anfänglichen Depression..... Wäre mein Verdacht.
LG Nicci
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Liebe Geli,
ich schließe mich Anja an und tippe auf Sozialphobie, das bedeutet für mich, dass die Person Angst davor hat im (kritischen) Blickfeld anderer Menschen zu stehen und sich deren Beurteilung auszusetzen. Die Störung tritt in Verbindung mit anderen Menschen auf, oder beim Denken an diese Situationen.
Sie hat z.B. Angst zu erröten, oder sich irgendwie falsch zu verhalten und sich so eine Blöße zu geben. Menschen mit diesen Ängsten ziehen sich immer weiter zurück und isolieren sich von anderen, um sich nicht diesen für sie quälenden Situationen auszusetzen und damit andere nichts davon mitbekommen.
Oft merkt man es ihnen auf den ersten Blick auch gar nicht an, sie können sogar erfolgreich erscheinen, wie die Patientin in unserem Beispiel. Es werden dann oft Ausreden benutzt, um die bedrohliche Situation zu vermeiden.
Die Betroffenen können auch regelrechte Panikattacken entwickeln, wenn solch eine Situation naht und sie sie vielleicht nicht umgehen können.
Herzliche Grüße
Alexandra
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Ich bin auch noch (laaange) nicht bei der Psyche.
Gebe aber trotzdem mal meinen Senf dazu:
Die Angst vor dem Rotwerden hat mich auf Erythrophobie (Angst
vor dem Erröten) gebracht.
Das Erröten ist dabei nicht das Hauptproblem, sondern
die Angst davor. Die Betroffenen befürchten, dass
sich ihre Mitmenschen über sie lustig machen, sie nicht
ernst nehmen. Oder dass sie des Lügens verdächtigt werden (Bsp.:"Das
Produkt hat wirklich keinerlei Nebenwirkungen." ) usw.
Daher meiden sie Situationen bei denen sie im Mittelpunkt stehen,
vor anderen Menschen sprechen sollen oder Aufmerksamkeit (auch Lob oder
Komplimente) erhalten.
Durch das Vermeiden dieser Situationen ziehen sich die
Betroffenen oft mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen
Leben (beruflich wie privat) zurück. Dadurch treten
bei den Pat. häufig depressive Verstimmungen u.ä.
Beschwerden auf. (Ist eine Situation unvermeidbar kann
es sogar zu Panikattacken kommen.)
LG Julia
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(30.04.2010, 20:04)Nicci schrieb: Hm, Also steht sie unter Leistungsdruck und hat allen Anschein nach Versagensängste, geringes Selbstwertgefühl, geringes Selbstbewußtsein....
Soziale Angst verbunden mit posttraumatischen Balstungsstörungn vielleicht mit Tendenz einer anfänglichen Depression..... Wäre mein Verdacht.
LG Nicci
Liebe Nicci,
alles gut beobachtet. Sie leidet bestimmt unter Versagensängsten, weil sie ein schwaches Selbstwertgefühl hat, vor allen Dingen angesichts der neuen Aufgabe.
Jetzt musst Du nur noch die genaue Diagnose heraus finden, denn Soziale Angst, posttraumatische Belastungsstörung, Depression sind drei verschiedene Diagnosen. Wenn Du Dir ihre Probleme nochmals anschaust, welches könnte ihr Hauptproblem sein?
Viele Grüße bis zur Lösung demnächst
Geli
(01.05.2010, 14:01)Julia schrieb: Ich bin auch noch (laaange) nicht bei der Psyche.
Gebe aber trotzdem mal meinen Senf dazu:
Die Angst vor dem Rotwerden hat mich auf Erythrophobie (Angst
vor dem Erröten) gebracht.
Das Erröten ist dabei nicht das Hauptproblem, sondern
die Angst davor. Die Betroffenen befürchten, dass
sich ihre Mitmenschen über sie lustig machen, sie nicht
ernst nehmen. Oder dass sie des Lügens verdächtigt werden (Bsp.:"Das
Produkt hat wirklich keinerlei Nebenwirkungen." ) usw.
Daher meiden sie Situationen bei denen sie im Mittelpunkt stehen,
vor anderen Menschen sprechen sollen oder Aufmerksamkeit (auch Lob oder
Komplimente) erhalten.
Durch das Vermeiden dieser Situationen ziehen sich die
Betroffenen oft mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen
Leben (beruflich wie privat) zurück. Dadurch treten
bei den Pat. häufig depressive Verstimmungen u.ä.
Beschwerden auf. (Ist eine Situation unvermeidbar kann
es sogar zu Panikattacken kommen.)
LG Julia
Liebe Julia,
alles was Du zum Erröten geschrieben hast, auch der Fachbegriff stimmen genau.
Wenn Du magst, lies dir nochmal den ganzen Fallbericht durch und überlege, was das Hauptproblem ist (welche Situationen machen ihr am meisten Angst?) und versuche die genaue Diagnose zu stellen, was nicht ganz einfach ist, wenn man das LH psychische Störungen noch nicht gehabt hat.
Viele Grüße (Lösung kommt demnächst)
Geli
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Ich soll mich entscheiden... Madame Nicci hat nämlich täglich Entscheidungsneurosen .... lach ... ich gebe mir Mühe
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Das Hauptproblem bei der Frau stellt sich mir als Angst vor sozialen Kontakten dar. Sie befürchtet, negativ aufzufallen oder etwas falsch zu machen.
Ich schwanke bei der Frau zwischen 2 Diagnosen, die sich in ihren Symptomen sehr ähneln.
Einerseits könnte sie wie bereits von anderen vermutet, eine soziale Phobie haben - andererseits kommt aber auch ÄVPS (ängstlich vermeidende selbstunsichere Persönlichkeitsstörung) in Frage.
Für beide gilt: diese Menschen sind oft von Kollegen sehr geschätzt, da sie unkompliziert sind, nicht Nein sagen, gewissenhaft arbeiten, usw. Daher passt auch dieser Karrieresprung ins Bild dieser Krankheiten.
Für eine genaue Differentialdiagnostik müsste man sie noch etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Wäre sie Sozialphobikerin, hätte sie eher eng umschriebene klare Ängste, z.B. Angst vor dem Halten einer Rede, vor einer Prüfungssituation, etc.
Dagegen wäre bei einer ängstlichen Persönlichkeit die Ängste viel weiter gefasst.
Die meisten Kriterien bei diesen beiden Diagnosen sind aber sehr ähnlich, ein Unterschied der mir einfällt ist, dass bei der sozialen Phobie von den Patienten selbst diese Angst immer als Störung empfunden wird, während ÄVPS-Patienten diese "Unzulänglichkeit" oftmals als Teil ihrer Persönlichkeit "akzeptieren".
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich meine, dass der Sozialphobiker Kontakte generell vermeidet, während der Persönlichkeitsgestörte sich eigentlich Kontakte und Anerkennung wünscht und diese aufgrund der Störung meidet - und daher einen hohen Leidungsdruck hat.
Irgendwie vermischen sich die Kriterien wirklich extrem.. vielleicht kann uns Geli da weiterhelfen...
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Lösung zum 2. Diagnoserätsel psychische Erkrankungen:
Es handelt sich tatsächlich um eine "Soziale Phobie".
Hier eine Erklärung, was man unter einer sozialen Phobie versteht:
Die psychische Störung tritt immer dann auf, wenn der Betroffene sich in einer sozialen Situation befindet, d.h. zusammen mit anderen Menschen, sich dadurch beobachtet fühlt, oder wie er/sie denkt, kritisch beobachtet fühlt. Zentrales Merkmal von sozialen Phobien ist die Erwartung, dass das eigene Verhalten, oder auch die Körpermerkmale wie das Erröten von anderen gesehen und als peinlich bewertet werden. Also unsere Angestellte hätte die Erwartung, dass sie sich z. B. bei Kundenkontakten so verhält, dass ihr gegenüber es als unangemessen oder eben peinlich bewertet. Es sind also die Erwartungen oder die starken Ängste, dass er/sie sich in einer sozialen Situation falsch benehmen wird. Diese auslösende Situation wird deshalb möglichst gemieden, oder wenn es gar nicht anders geht, nur unter großen Ängsten und Anstrengungen ausgehalten. Deshalb zählt diese Störung auch zu den Vermeidungsstörungen.
Auslösende Situationen können Leistungssituationen oder auch Interaktionssituationen sein wie:
Unterhaltungen mit Fremden; einen Raum betreten, in denen schon andere sitzen; vor anderen essen, trinken (alles Interaktionssituationen).
Prüfungen, vor anderen Unterschriften leisten; Präsentationen halten; Referate halten ...(alles Leistungssituationen).
Angstsymptome können beispieslweise sein:
Erröten, Zittern, Schweißausbrüche, Miktions- oder Defäktionsdrang oder auch schon die starke Angst davor, dass es eintreten könnte gilt als Symptom.
DD:
Generalisierte Angststörung (GA):
Unterschied ist, dass bei einer GA eine allgemeine Angst besteht, die sich durch das ganze Leben zieht. Mal hat der Betroffene Angst davor, dass was passieren könnte, oder den unbegründeten Verdacht, dass man verarmen würde etc.
Bei einer sozialen Phobie gibt es den Auslöser der sozialen Situation. Die Ängste sind darauf konzentriert.
Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung (ÄVP):
Entscheidend ist auch hier der Auslöser durch eine soziale Situation. Eine Person mit einer ÄVP erlebt umfassende Gefühle von Anspannung und Besorgtheit, hat die Überzeugung unattraktiv, minderwertig zu sein, Angst vor Kritik oder Ablehnung zu haben. Sie läßt sich nur auf persönliche Kontakte ein, wenn sie sicher ist gemocht zu werden.
Es gibt hier sicher Überlappungen mit einer sozialen Phobie. Eine Person mit einer ÄVP wird sicherlich auch Angst haben bei Kundenkontakten. D.h. bevor man eine Diagnose stellt, muss man wirklich sehr genau explorieren wo die Hauptschwerpunkte liegen...
Spannende Frage natürlich ist: woher kommt das?
Und da ist es, wie fast immer, man kommt zu veschiedenen Erklärungsmodellen:
Naheliegend ist die Erklärung, dass schlimme Erfahrungen in sozialen Dingen, denjenigen so "gestört" haben.
Oder verschiedene kritische Lebensereignisse haben den Menschen so verstört.
Auch organische Verursachungen wie Dysfunktionen von Neurotransmittern werden diskutiert.
Tiefenpsychologisch wird angenommen, dass Grundbedürfnisse des Kindes, wie angenommen und geliebt zu werden, nicht befriedigt wurden.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Frage des "Teufelskreises". Man erlebt eine schreckliche Situation und hat Angst, dass es sich wiederholen könnte, und fängt an gleichartige Situationen zu meiden.
Therapie: Soziale Phobien können gut therapiert werden.
Denkbar sind Kognitive Verhaltentherapien, auch pharmakologische , tiefenpsychologische, Gesprächstherapien und andere Formen. Hier ins Einzelne zu gehen, würde zu weit führen.
Bis zum nächsten Diagnoserätsel
Geli
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