Liebe Eva,
vielen Dank für deinen sehr offenen Ber
icht über deinen ganz persönl
ichen Wechsel - er macht deutl
ich,
wie viel Mut, Kraft und auch Liebe zu uns selbst es braucht, um s
ich den vielen verschiedenen Aspekten des "Frauseins" zu stellen, n
icht nur in jungen und gesunden Jahren, sondern gerade auch in Zeiten von Krankheit und allmähl
ichem Altern, oder vielle
icht sollte
ich besser sagen von "Wachsen und Reifen" ...
Gerne möchte
ich zu
diesem Thema
die Lektüre eines Buches empfehlen, das m
ich während der vergangenen zwei Jahre meines intensiven Wechsels zutiefst berührte, stärkte und ermutigte, immer
wieder weiter zu gehen, langsam und stetig, Schritt um Schritt, ganz besonders in Zeiten, in denen
ich manchmal jegl
iche Hoffnung ins Leben und jegl
iches Vertrauen in m
ich selbst fast verloren hatte.
"Weisheit der Wechseljahre - Selbstheilung, Veränderung und Neuanfang in der zweiten Lebenshälfte"
von Dr. med. Christiane Northrup.
Auf knapp 700 Seiten beschreibt
die Autorin auf wissenschaftl
ich fun
dierte und doch auch für den Laien gut verständl
iche und nachvollziehbare Weise, was mit uns Frauen auf allen Ebenen von Körper, Geist und Seele passiert in
dieser besonderen Zeit des Wechsels,
die an mancher Frau so rasch und unscheinbar vorbeizieht und bei anderen eine langanhaltende tiefgreifende Veränderung des gesamten Lebens- und Wertesystems in s
ich bergen kann. Gewidmet ist das Buch "den Frauen der Babyboomer-Generation und ihrem Pioniergeist".
Hier ein paar Zitate aus der Einleitung direkt aus der Feder der Autorin - es könnten manchmal fast
die Worte aus meinem Tagebuch der vergangenen Jahre sein:
"
Die Reise beginnt. In den ein oder zwei Jahren, bevor meine Periode hin und
wieder unregelmäßig wurde, fühlte
ich m
ich zunehmend gereizt, wenn
ich bei meiner Arbeit unterbrochen wurde oder mit jemandem zusammenarbeiten musste, der n
icht so in der gemeinsamen Arbeit aufging,
wie ich es tat. Rückblickend erkenne
ich, dass
ich in den Dreißigern n
icht so irritiert war, wenn m
ich meine damals noch jüngeren Kinder beim Schreiben eines Artikels oder beim Telefonieren unterbrachen. Liebe und Sorge um ihr Wohlergehen überwanden allen Ärger oder Frust, den
ich damals gefühlt haben mochte. Als
ich dann auf
die Wechseljahre zuging, stellte
ich fest, dass
ich Ablenkungen -
die wie Frage meiner 18-Jährigen: "Wann gibt's Abendessen?", wenn sie deutl
ich sehen konnte, dass
ich beschäftigt war - n
icht länger ertragen konnte. Warum, fragte
ich m
ich, war es stets meine Sache, den Herd anzustellen und m
ich um das Essen meiner Familie zu kümmern, selbst wenn
ich gar n
icht hungrig und in ein Projekt vertieft war?
Warum konnte mein Mann n
icht schon einmal mit den Vorbereitungen zum Abendessen beginnen? Warum schien meine Familie
wie gelähmt, wenn es darum ging, eine Mahlzeit zuzubereiten? Warum warteten sie alle in der Küche, als seien sie n
icht in der Lage, den Tisch zu decken oder s
ich ein Glas Wasser einzuschenken, bis
ich den Raum betrat und durch meine bloße Anwesenheit verkündete: "Mutti ist da. Nun gibt's was zu Essen."? Dasselbe geschah, wenn es an der Zeit war, ins Auto zu steigen und in
die Ferien zu fahren. Erst wenn
ich nach der Türklinke griff, setzte s
ich meine Familie in Bewegung. Es war, als ob sie in meiner Gegenwart jegl
iche Eigeninitiative verlören und unfähig würden, eine Sache selbst in
die Hände zu nehmen, sei es nun das Abendessen oder einen Familienausflug.
Als
die Kinder noch kleiner waren, akzeptierte
ich dieses Verhalten jedoch meist gutmütig, weil es einen Teil meiner Rolle als Ehefrau und Mutter reflektierte. ... Während meiner
Wechseljahre verlor
ich auf allen Ebenen
die Geduld mit
diesem Verhalten, sei es zu Hause oder im Berufsleben.
Ich konnte einen Feuer speienden Vulkan in mir spüren, der jederzeit zum Ausbruch bereit war und eine Stimme in mir grollen hören: "Es re
icht! Ihr alle seid geschickte und leistungsfähige Menschen. Jeder hier weiß,
wie man Auto fährt und Wasser kocht. Warum bin
ich immer
diejenige,
die rundherum alles organisieren muss?" Mein Unwille wuchs ...
Ich hätte damals n
icht im Traum daran gedacht, dass
diese kleinen Ausbrüche von Reizbarkeit wegen geringfügiger Familienangelegenheiten das erste schwache Anklopfen an der Pforte mit der Aufschrift "Weisheit der
Wechseljahre" waren und mir signalisierten, einige meiner gewohnten Beziehungsmuster zu überdenken. Und
ich ahnte auch n
icht, dass meine Leben,
wie es mir seit einem Vierteljahrhundert vertraut war, wenige Jahre später, als meine Periode tatsächl
ich unregelmäßig wurde und
ich Hitzewallungen verspürte, auf der Schwelle zu einer tief greifenden Transformation stehen würde. Als s
ich meine zyklische Natur neu verkabelte, stellte
ich alle meine w
ichtigen Beziehungen auf den Prüfstand und begann, unvollendete Angelegenheiten aus meiner Vergangenheit zu heilen, erlebte erstmals den plötzl
ichen Schmerz, den das leere Nest mit s
ich bringt, und baute eine völlig neue und aufregende Beziehung zu meiner Kreativität und meinem Beruf auf...
Meine persönl
iche Erfahrung hat mir gezeigt, das das Lüften des hormonellen Schleiers - des monatl
ichen Zyklus der Fortpflanzungshormone,
die unsere Aufmerksamkeit tendenziell auf
die Bedürfnisse und Gefühle anderer konzentrieren - in den
Wechseljahren ebenso befreiend
wie auch veruns
ichernd sein kann. Der hohe Prozentsatz von Trennungen, Scheidungen und Berufswechseln in mittleren Lebensjahren bestätigt
dies.
Ich selbst hatte mir immer vorgestellt, zeit meines Lebens mit demselben Mann verheiratet zu sein und gemeinsam mit ihm alt zu werden.
Dieses Ideal gehörte zu meinen bestgehegten und gepflegten Träumen. In der Lebensmitte musste
ich wie tausende von anderen Frauen Abschied nehmen von meinen Vorstellungen,
wie mein Leben verlaufen würde.
Ich musste ganz unmittelbar
die Wahrheit des alten Spr
ichworts erfahren,
wie schwer es ist, etwas zu verlieren, das man nie r
ichtig besessen hat. Es heißt, alle Illusionen aufzugeben, und das ist sehr schwer.
Aber für m
ich ging es dabei um mehr als um
die Frage, wo und mit wem
ich alt werden könnte. Es war eine Warnung,
die aus der Tiefe meiner Seele kam und
die lautete: "Wachse ... oder stirb."
Ich hatte
die Wahl.
Ich entschloss m
ich zu wachsen."
Seit sehr vielen Jahren steht in meinem Bücherregal das Buch "Frauenkörper - Frauenweisheit" von derselben Autorin, das
ich nur punktuell gelesen habe, immer nur herausgepickt, was m
ich gerade betraf oder körperl
ich einschränkte. Erst durch
die Neuauflage der "Weisheit der
Wechseljahre" habe
ich auch das erste Werk umfassend verinnerl
icht und begonnen, es in seiner ganzen Tiefe zu erfassen und zu begreifen. Vielle
icht fühlt s
ich die ein oder andere Leserin im Forum angesprochen - und natürl
ich können auch
die Männer hier durch
die Lektüre uns Frauen besser verstehen und vielle
icht auch schätzen lernen - auf persönl
icher und therapeutischer Ebene
Wechseljahre - eine spannende Reise, geprägt oftmals von enormen Gegensätzen im Fühlen, Denken, Erleben, Höhen und Tiefen.
Zuversichtl
ich schaue
ich auf
die Jahre,
die dieser Zeit folgen mögen - auf "
die Ruhe nach dem Sturm" -
wie Northrup
diese Zeit in ihrem Epilog beze
ichnet, in dem sie ihre Situation nach einem Autounfall beschreibt ...
"Mein Unfall kam mir
wie eine kurze und überaus eindrucksvolle Neuinszenierung meiner
Wechseljahre vor, samt dem Scheitern meiner Ehe und der Zerstörung einiger Anteile meiner Persönl
ichkeit,
die jetzt untergehen mussten, damit
ich gesund bleiben und wachsen konnte. Der Unfall passierte fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem mein Mann und
ich uns getrennt und
die Scheidung eingere
icht hatten. In
diesem Jahr waren mein altes Leben und mein altes
Ich ebenso
wie mein Wagen von einer Macht ergriffen worden,
die n
icht meiner Kontrolle unterlag. Trotz meiner schlimmsten Befürchtungen konnte
ich am Ende aus eigener Kraft weitermachen. Und obwohl s
ich damals
die Wucht der Trennung so angefühlt hatte, als ob dadurch einige wesentl
iche Teile in mir zerstört werden könnten, so waren
die Schäden letztendl
ich doch nur oberflächl
icher Natur, ebenso
wie die an meinem Wagen. Mein Leben war nun n
icht mehr so bilderbuchmäßig
wie einst. Doch
wie ich feststellte, war der einzige Schaden von Bedeutung, dass meine gut gehütete und tröstl
iche Illusion zerstört worden war, jemand außer mir selbst könnte m
ich davon abhalten, das Leben zu leben, für das
ich bestimmt war...
Ich hatte zieml
ich viel Trauer und Schmerz ausgehalten, war offensichtl
ich in der Lage, meine Kinder und m
ich zu ernähren, und, wenn auch noch etwas mitgenommen, unerschrockener denn je aus
dieser Erfahrung hervorgegangen...
Doch
ich weiß tief im Inneren, dass das Schönste noch vor uns liegt, dass das Gewesene nur ein Vorgeschmack war, dass
die besten Jahre noch kommen. Glauben Sie mir, es wird besser werden. Alles wird gut."