aus meiner Sicht ist die Sterbebegleitung beim Menschen im privaten und beruflichen Kontext ein äußerst komplexes und schwieriges Themenfeld. Über einige Jahre war ich als ehrenamtliche Sterbebegleiterin für den Hospizverein der nächstgelegenen Kreisstadt tätig und um es vorweg zu nehmen: ich habe diese Tätigkeit sehr gerne ausgeübt, solange ich daneben keinen Vollzeitjob, sondern nur eine Teilzeitarbeitsstelle hatte. Ich wurde im Vorfeld zusammen mit ca. 15 weiteren Anwärtern vereinsintern über einen Zeitraum von ca. 6 Monaten intensiv auf diese Tätigkeit vorbereitet. Wir trafen uns wöchentlich einmal und hatten zu Beginn und am Ende der Ausbildung ein komplettes Wochenende. Der Quali-Kurs umfasste damals insgesamt ca. 180 Stunden, sowie ein Praktikum von mindestens 40 Stunden, das in einer geeigneten Einrichtung, z.B. Hospiz, Palliativstation, Klinik, Altenpflegeheim, absolviert werden musste. Zusätzlich war die Ausarbeitung einer ausführlichen Hausarbeit, in der eine Reflexion der Tätigkeit innerhalb dieses Praktikums gefordert wurde, Pflicht. Die Kursthemen waren sehr vielfältig und rückblickend könnte ich mir nur schwer vorstellen, wenn ich auch nur auf eine einzelne dieser Einheiten hätte verzichten sollen, um mich dann wirklich bereit zu fühlen und es zu wagen, diese Tätigkeit aufzunehmen. Alle diese Themen waren sehr wichtig, um im Vorfeld der eigentlichen Tätigkeit zu klären, ob dies tatsächlich möglich sein würde, in diesem Themenfeld zu arbeiten, ob rein privat, ehrenamtlich oder auch beruflich. Am Ende der Qualifikation wurde im gemeinsamen Gespräch mit dem Vorstand geklärt, ob ein Einsatz wirklich angemessen sein würde, von beiden Seiten. Es gab auch Ablehnungen und das zu Recht.
Grundsätzlich kann ich mir gut vorstellen, dass einige dieser Themenfelder in einem Webinar durchaus vermittelbar sind, nämlich immer die, bei denen es um die reine Theorie geht. Wesentlicher aber als in vielen anderen Seminaren und Ausbildungsmodulen, an denen ich bereits teilgenommen habe - auch hier an deiner Schule - erscheint mir in diesem Zusammenhang der praktische Ansatz, also die praktische Arbeit und damit die wirkliche Präsenz der Teilnehmer innerhalb der Ausbildungsgruppe und gemeinsam mit der/dem AusbilderIn. Ganz wesentliche Aspekte befassten sich in meiner Qualifizierung mit dem Thema von Sterben, Tod und Trauer in der eigenen Biographie, in einer intensiven Auseinandersetzung damit, was dies für uns angehende Sterbebegleiter im ganz persönlichen Umgang mit diesem Themenkomplex bedeutet. Diesem Bereich war gleich zu Beginn der Ausbildung ein komplettes Wochenende gewidmet und etwa 1/4 der Teilnehmer meldeten sich danach aus dem Kurs ab. Ein weiteres wesentliches Thema war Kontakt und Kommunikation: wie baue ich Kontakt mit Sterbenden und ggf. deren Angehörigen auf, wie gestaltet sich die Kommunikation, auch und gerade dann, wenn ganz oft Kommunikation auf verbalem Weg gar nicht (mehr) möglich ist. Wie arbeite ich als Sterbebegleiter im stationären Bereich mit den Fachkräften zusammen, wo finde ich da meine "Rolle" und wie ist meine Position im Kontakt mit Ärzten, Pflegern, mit Seelsorgern, insgesamt im palliativen Team. In diesen Punkten unterscheidet sich die Sterbebegleitung sehr deutlich z.B. von der Trauerbegleitung, denn als Sterbebegleiter habe ich in der Regel nicht nur einen "Ansprechpartner", sondern eine Vielzahl von Beteiligten.
Jede Sterbebegleitung ist völlig anders - das kann ich nach meiner Erfahrung ganz klar sagen, es lässt sich im Vorfeld niemals sagen, was für eine Dynamik eine solche Begleitung entwickelt, wie harmonisch und "leicht" oder wie "dicht" und fordernd sie wird. Bin ich erst einmal "drin", gibt es eigentlich nur schwer ein "zurück". Manchmal bleibt es bei einer einzigen Begegnung, manchmal entwickeln sich daraus lange Wochen oder gar Monate oder Jahre mit extremen Ups and Downs. Es lässt sich einfach nicht sagen, wie es ganz individuell sein wird dieses Sterben des Einzelnen und das ist auch gut so. Auf jeden Fall lässt sich die Sterbebegleitung nicht planen, so wie wir das von vielen anderen Beratungs- und Begleitungssituationen gewohnt sind. Sterbebegleitung mit Terminkalender in der Hand ist eigentlich ein No-Go. Man geht, man schwimmt, ein Stückweit einfach mit, man ist da, wenn es genau wichtig und richtig ist, ohne Blick auf die Uhr oder den Wochentag. Da kann es schon mal lange Nächte und Wochenenden geben. Das muss man im Vorfeld einfach wissen und sich bewusst machen. Für mich heißt auch das, dass ich ganz viel praktische Erfahrung brauche, um mich auf dieses Thema wirklich so einzulassen, dass damit allen Beteiligten gut geholfen ist, vor allem, wenn ich das nicht nur privat, sondern evt. als "Dienstleistung" anbieten möchte.
Von meiner Seite finde ich es immer total spannend, Themengebiete aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und somit aus verschiedenen Perspektiven Neues zu erfahren, vor allem auch von ganz neutraler Seite, um auch das wieder in mein "ganz Eigenes" einzubauen und zu berücksichtigen. Von daher wäre ich grundsätzlich erst einmal sehr interessiert, thematisch etwas genauer zu hören, wie die Inhalte eines solchen Webinars denn aussehen würden. In manchen Punkten dürfte es durchaus inhaltlich ja auch Überschneidungen geben mit der Trauerbegleitung, allerdings kann ich aus meiner praktischen Erfahrung sagen, dass es im Tun eben zwei völlig andere Bereiche und Herangehensweisen sind. Ich würde mich daher also sehr freuen, von Annika etwas mehr dazu zu erfahren.